Als die Nazis ins Sudetenland kamen

Von Anke Leweke · 24.11.2010
Zeitgeschichte mit persönlichen Biografien und Perspektiven: Im Mittelpunkt von Juraj Herz Tragödie "Habermann" steht das Schicksal einer deutschen Familie, die am Ende des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat, dem Sudetenland, vertrieben wird.
Der Bräutigam strahlt, wunderschön sieht seine Braut aus, die Hochzeitsgäste applaudieren. Die Bilder zu Beginn von "Habermann" mögen ausgelassen wirken, aber die Musik erzählt eine andere Geschichte. Schauplatz von Juraj Herz’ Film ist das Sudentenland im Jahr 1937. Die Hochzeit von Jana und dem jungen Unternehmer August Habermann wird bereits überschattet.

"Ihr Familienname ist Silberstein. Ihr Vater ist also Jude." "Das kann doch nicht stimmen." "Eine Geburtsurkunde ist eine Geburtsurkunde. Amtlich gesehen ist sie einfach eine Halbjüdin." "Dann ist sie halt eine. Darf man sie deshalb nicht kirchlich trauen? Immerhin ist sie gekauft" "Um die Kirche geht es überhaupt nicht. Die Zeiten ändern sich."

Schon kurz nach der Hochzeit marschieren die Deutschen ins Sudetenland ein. Bisher haben Deutsche und Tschechen hier friedlich zusammengelebt und zusammengearbeitet. Doch nun sieht man den Nachbarn plötzlich mit anderen Augen. August Habermann, dessen aus Deutschland stammende Familie seit vier Generationen ein gut gehendes Sägewerk betreibt, muss sich plötzlich mit seinem besten Freund über seine Herkunft auseinandersetzen.

"Wir sind doch noch nicht tot." "Doch, und wie wir tot sind." "Was wird sich denn groß ändern, ob die Grenze nun hier oder dort verläuft?""Naja, Du bist Deutscher. Für Dich wird sich wohl nicht viel verändern. Aber für uns Tschechen wird sich vieles verändern." "Es kann besser werden, Hitler hat Arbeit gebracht. Wir können jetzt unser Mehl bis nach Bayern verkaufen. " "Dann geh doch mitwinken, so wie Deine Landsleute."

Wird August zum Mitläufer? Oder wird er sich seinen meist tschechischen Arbeitern gegenüber weiterhin loyal verhalten? Und kann er verbergen, dass seine Frau Halbjüdin ist? Mit seiner Familientragödie "Habermann" betritt Juraj Herz thematisches Neuland. Er stellt das Schicksal einer deutschen Familie in den Mittelpunkt, die am Ende des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat, dem Sudetenland, vertrieben wird. Dabei vermeidet der 76-jährige Regieveteran, das Unrecht, das den Habermanns widerfährt, gegen die Verbrechen der Nazis auszuspielen. Vielmehr versucht er, die Zeitgeschichte mit persönlichen Biografien und Perspektiven zu füllen. Die Geschichte des junge Habermann handelt von einem jungen Mann, der nicht zum Nazi wird, aber aus dem Land der Täter stammt.

Hören Sie auch ein Gespräch mit Regisseur Juraj Herz als mp3-Audio .