60 Jahre Islamische Republik Pakistan

"Die meisten Pakistanis sind moderat"

Proteste in Pakistan gegen die Hinrichtung eines verurteilten Mörder.
Proteste in Pakistan gegen die Hinrichtung eines verurteilten Mörders. © BANARAS KHAN / AFP
Christian Wagner im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 23.03.2016
Vor genau 60 Jahren rief Pakistan als erstes Land der Welt eine islamische Republik aus. Bis heute gebe es einen permanenten Spannungszustand zwischen moderaten und fundamentalistischen Kräften, sagt der Pakistan-Experte Christian Wagner. Doch die große Mehrheit der Bevölkerung sei moderat.
Die Gründung der Islamischen Republik 1956 sei zunächst ein Symbol der Abgrenzung zu Indien gewesen, das sich damals als säkular verstand, so Christian Wagner, Pakistan-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, im Deutschlandradio Kultur:
"Wie man dieses Symbol aber füllen sollte, das ist natürlich ein bis heute andauernder Prozess, der eben auch von viele Rückschlägen bis heute begleitet war", sagte Wagner im Deutschlandradio Kultur.

Militärherrschaft 1977-88 brachte Schub für Islamisierung

Pakistan war ebenso wie Indien 1947 als unabhängiger Staat aus der britischen Kolonialherrschaft entstanden, ehe es neun Jahre später die Islamische Republik gründete. Neben dem Prozess der Verfassungsgebung sei die Frage nach der Rolle der Religion ein zweite schwierige Herausforderung gewesen, sagte Wagner.
"Das war natürlich ein permanenter Streitpunkt in Pakistan, weil es eben eine große religiöse Vielfalt im Islam gibt."
Die Frage der Religion und die Islamisierung habe in der Militärherrschaft zwischen 1977 und 1988 einen maßgeblichen Schub erhalten. Einige sehr umstrittene religiöse Gesetze, wie die Blasphemie-Gesetzgebung, hätten dort ihren Ursprung. Im Parlament gebe es einen
"permanenten Spannungszustand zwischen den moderaten und liberalen Kräften auf der einen Seite und den fundamentalistisch orthodoxen Kräften auf der anderen".
Dass es von orthodoxer Seite massiven Widerstand gegen Reformen gebe, habe auch die Ermordung von Salman Taseer gezeigt "weil dieser nur gewagt hatte, über eine Reform der Blasphemie-Gesetzgebung nachzudenken".

Afghanistan als abschreckendes Beispiel für die Bevölkerung

Doch die pakistanische Bevölkerung sei insgesamt deutlich gemäßigter als angenommen. "Die Mehrheit der Pakistanis hat eine moderate Einstellung", so SWP-Experte Wagner. Das zeige sich bei Wahlen, wo religiöse Parteien nie mehr als drei bis sechs Prozent der Stimmen erreichten.
"Die große Mehrheit der Pakistanis wollen gute Muslime sein, vielleicht auch bessere Muslime. Aber man scheut natürlich sehr davor zurück, einer allzu orthodoxen, extremistischen Auslegung des Islams zu folgen."
Als abschreckendes Beispiel diene mittlerweile die Bedrohung Afghanistans durch die Taliban.
Der Politikwissenschaftler Christian Wagner, er gehört zur Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin
Der Politikwissenschaftler Christian Wagner, er gehört zur Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin© Deutschlandradio / M. Hucht
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