Mittwoch, 08. Mai 2024

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Reihe: Landlust, Landfrust - was die Bauern bewegt
Der lange Weg zum Biobetrieb

Zwar steigt die Nachfrage nach Biolebensmitteln, aber dennoch stellen wenige der großen Bauernhöfe auf Bio um. Das Ehepaar Mehring hat es mit seinem knapp 100 Hektar großen Hof versucht. Fast drei Jahre lang dauerte der "Weg nach Bio". Angekommen sind die Mehrings in diesem November. Einfach war es nicht.

Von Angelika Gördes-Giesen | 13.11.2015
    Ein Hühnermobil mit einigen Hühnern im Ökodorf Brodowin
    Mehrings Masthähnchen leben in einem Hühnermobil auf einer Wiese. (Deutschlandradio/Svenja Pelzel)
    Heike Mehring lockt: "Kommt mal her!" Ohne Erfolg: "Die haben heute keine Lust. Das wird heute nix." Schließlich sind die Äpfel auf der Streuobstwiese von Heike Mehring viel verlockender. Die alten Wiesen waren die ersten Flächen, die Tobias und Heike Mehring auf ihrem Hof auf Bio umstellen konnten.

    Auf den anderen Wiesen und Äckern dauert die Umstellung auf Biolandbau fast drei Jahre. Jetzt sind sie ein zertifizierter Biolandbetrieb. Franz Josef Thuneke, der Geschäftsführer des Bioland-Verbandes NRW, ließ es sich nicht nehmen, persönlich zu gratulieren: "Das Münsterland ist ja für Biobetriebe eine Diaspora. Da ist es besonders schwierig umzustellen. Das hängt damit zusammen, dass die für ihren Tierbestand relativ wenig Fläche haben, und im Ökolandbau haben wir eine flächengebundene Produktion. Das zweite Problem ist, dass die Bodenpreise enorm nach oben gegangen sind. Darunter leiden auch konventionelle Betriebe. Ich muss den Betrieb dann wirklich umstellen und nicht nur die chemisch-synthetischen Betriebsmittel weglassen. Ich brauche eine ganz andere Betriebskonzeption, und das ist Familie Mehring hervorragend gelungen."
    "Erst jetzt merkt man, dass auch etwas zurückkommt"
    Eigentlich hatten beide ganz verschiedene Berufe. Heike Mehring war Krankenschwester, Tobias Mehring Maschinenbauer. Aber er war auf dem Hof aufgewachsen, und sie hat noch eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert. Der Startschuss fiel, erinnert sich Landwirt Mehring: "Im Oktober 2012 haben wir den Vertrag unterschrieben, ab da war Bio angesagt."

    Mit viel Eigeninitiative und einem Team von Beratern wurden alte Gebäude umgebaut, sodass sich jetzt 250 Bioschweine drinnen und draußen tummeln können. Der große Stall wurde zum Hühner-Stall umgebaut, im Hühnermobil auf der Wiese leben jetzt Masthähnchen. Der Stall auf Rädern wird auf der Wiese immer mal wieder umgesetzt, und so haben die Hähnchen immer wieder frisches grünes Futter.

    Auch auf dem Acker veränderte sich vieles. Bioweizen, Soja, Kleegras, Kartoffeln, Ackerbohnen - alles wurde ausprobiert. Nicht immer mit Erfolg, wie Tobias Mehring einräumt: "Ich bin schon ziemlich oft an meine Grenze gekommen. Verflucht habe ich die Umstellung auch schon oft genug. Und jetzt erst merkt man durch diese Direktvermarktung am Hof, dass auch etwas zurückkommt."
    Ein Eierautomat für Eilige am Hoftor
    Der größte Teil der Eier und des Schweinefleisches beziehungsweise des Geflügelfleischs wird über den Handel vermarktet. Für ganz Eilige gibt es direkt am Hoftor ein kleines Häuschen mit Automat: "Wir kriegen gute Rückmeldungen von den Kunden. Die können da auch schon mal ein Hähnchen oder ein Suppenhuhn vorbestellen. Wir bekommen einen Automaten für Schweinefleisch neben dem Eierautomaten. Natürlich wollen wir auch später mehr Kundenkontakt und beraten. Aber für uns ist das für den Einstieg super."

    Wer will, kann aber doch einen Blick in den Stall werfen. 6.000 Hennen leben hier. Auf den ersten Blick sieht es genauso aus wie in einem großen, konventionellen Stall, aber es gibt mehr Platz und eine große Hühnerwiese. Ab 10 Uhr müssen alle Luken geöffnet sein, damit alle Tiere raus können. Das muss, wie alles auf dem Hof, genau dokumentiert werden. Bioland und auch die staatlichen Kontrolleure überprüfen das. Dementsprechend kalkuliert Heike Mehring die Preise. So kostet ein Bio-Ei 4o Cent. Mehrings Kalkulation sieht in etwa so aus: "Wir haben etwa fünfeinhalbtausend Eier am Tag, die gehen in andere Bioläden. 40 Cent bekommen wir dafür nicht. Aber die Kosten sind so kalkuliert, dass wir die acht bis zehn Cent pro Ei, die man braucht, überbehalten als Gewinn."
    Mit dem Acker noch nicht ganz zufrieden
    Auch beim Hähnchen-Fleisch liegen die Kosten über dem normalen Ladenpreis: "Wir haben also 11 Euro das Kilo genommen. Das mussten wir auch haben. Wir haben das jetzt kleinlichst ausgerechnet, weil es der erste Durchgang für uns war. Es sind ja Bio-Tiere, Bio-Futter, sie leben ja viermal so lange wie andere Hähnchen und von daher muss der Preis sein."

    Auf dem Acker ist Tobias Mehring allerdings ist noch nicht so ganz zufrieden. Wildkräuter, die die Mais oder Getreideernte stören, darf er nur noch mechanisch bekämpfen. Und das heißt: Hacken, hacken, hacken. Hier ist das Tüftel-Talent des gelernten Maschinenbauers gefragt, denn die universelle Unkrauthackmaschine gibt es noch nicht. Mehring beschreibt: "Das sieht ziemlich gerupft aus hinterher. Wir haben das hier einmal ausprobiert. Aber es ist definitiv so, dass die Unkrautpflanzen rausgerissen werden. Das Getreide kriegt gelegentlich hier und da auch einen mit. Aber in der Regel erholt sich das Getreide wieder. Man muss das so ein bisschen kompensieren durch eine höhere Aussaatmenge. Ganz frei von Verlusten sind diese Vorgänge nie."
    Ein Risiko für die ganze Familie
    Abends sitzen dann beide dann noch verschwitzt im grünen Overall am Schreibtisch, freie Abende und Urlaub mit den Kindern waren während der Umstellung rar. Denn Förderanträge, Abrechnungen und Arbeitspläne mussten immer wieder geändert werden: "War ich vorher nicht gewohnt, musste ich auch nicht machen, hatte ich wenig mit zu tun. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich irgendwo auf 700.000 bis 800.000 Euro. Es wird hier mit 40 Prozent gefördert."
    Diese Fördermittel und die Umstellungskredite sind zwar genehmigt, aber erst Ende des Jahres wird Bargeld fließen, sodass bisher alles über die Bank lief mit privater Absicherung. Ein Risiko für die ganze Familie, das Ehepaar Mehring schlaflose Nächte bereitete. Heike Mehring räumt ein: "Wenn man vorher gewusst hätte, was es für ein Kraftakt war, dann hätte man vielleicht noch einmal überlegt."

    Endlich ist es soweit. Heike und Tobias Mehring können seit November das Bioland-Schild in ihrem Verkaufshäuschen auf dem Hof anbringen. Das Fazit der Biobäuerin: "Es ist für uns die richtige Entscheidung. Das ist eigentlich für mich persönlich die größte Motivation, dass man so nah dran ist. Sonst war es so: Der Stall war zu. Man ging durch zur Kontrolle. Und dann hat man eigentlich die Tiere den ganzen Tag nicht gesehen. Und jetzt ist man immer viel näher dran."