Kolumbiens Kohle

Deutschlands Doppelmoral

Minenarbeiter in einem Bergwerk in Kolumbien.
Minenarbeiter in einem Bergwerk in Kolumbien. © AFP / Rodrigo Arangua
Von Nicolas Martin · 23.06.2015
Drohungen, Vertreibung, Morde - jahrelang haben paramilitärische Einheiten Platz für den lukrativen Kohleabbau im Nordosten Kolumbiens geschaffen. Zwischen 1996 und 2006 wurden fast 60.000 Menschen vertrieben und 2.600 Menschen ermordet. Profiteure der Menschenrechtsverletzungen sind auch deutsche Energieversorger.
Im Fokus der Kritik stehen der weltweit größte Minenbetreiber aus der Schweiz, Glencore Xstrata, und der US-Konzern Drummond. Aber auch deutsche Energieversorger profitieren von den Menschenrechtsverletzungen: Kolumbien ist der drittwichtigste Lieferant für Steinkohle. Seit der Energiewende steigt der Bedarf kontinuierlich. Jede fünfte Tonne Steinkohle, die deutsche Kraftwerke 2013 in Strom umgewandelt haben, kam aus Kolumbien.
Doch die billige Energie aus Lateinamerika hat für die Menschen dort einen hohen Preis: Viele wurden in der Provinz Cesar für den Kohleabbau vertrieben, verschleppt oder sogar misshandelt und getötet. Minenkonzerne sollen Paramilitärs damit beauftragt haben. Im Zusammenspiel mit Grundbesitzern und korrupten Regierungsbeamten sollen sie so an große Grundstücke in den heutigen Kohlegebieten gekommen sein. Die Nichtregierungsorganisation Pax schreibt in einem Bericht von mehr als 2.500 gezielten Ermordungen und fast 60.000 Vertriebenen.
"Euer Luxus kostet Leben in Kolumbien"
Aber nicht nur die Menschen leiden, der Kohleabbau belastet auch die Umwelt. Der Rechtsanwalt und Journalist Alejandro Arias beklagt: "Die Tatsache, dass wir hier immer mehr Beweise finden und dennoch immer mehr Kohle gekauft wird, lässt uns denken, dass in Deutschland eine Doppelmoral existiert. Auf der einen Seite gibt es doch dort diesen umweltpolitischen Diskurs - auf der anderen Seite sterben hier Menschen, jedes Mal, wenn ihr eure Heizung oder Klimaanlage anmacht. Euer Luxus kostet Leben in Kolumbien. Deswegen verstehe ich nicht, warum keine Maßnahmen getroffen werden, um die Kohlefirmen unter Druck zu setzen."
Die vier größten Energieversorger Deutschlands, Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, wollen sich öffentlich nicht dazu äußern, von welchen Unternehmen ihre kolumbianische Kohle stammt. Trotz ihrer Verschwiegenheit ist aber davon auszugehen, dass sie diese Importe aus der Provinz Cesar beziehen. Und während die Bundesregierung in der Textilindustrie beispielsweise an Richtlinien für mehr Transparenz arbeitet, gilt das nicht für den Strom aus der Steckdose.
Das Feature erzählt von den zwielichtigen Manövern der Rohstofflobby. Es führt in die Kohleabbauregion Ceìsar, in die kolumbianische Politik, zu inhaftierten Paramilitärs, die über ihre Vergangenheit sprechen, und in die Konzernzentralen deutscher Energieriesen.
Das Manuskript zum Nachlesen:
Produktion: DLF 2015