Hörspiel

James Joyce: Ulysses 3 + 4

Von James Joyce · 22.12.2012
Kapitel 3: Proteus. Szene: Strand von Sandymount - Uhrzeit: 11.00 Uhr - Kunst: Philologie - Symbol: Gezeiten - Technik: Monolog (eines Mannes)
Es bleibt noch Zeit für Stephen Dedalus bis zur Verabredung mit Mulligan um 12.30 Uhr. Alleine am Strand überlässt sich Stephen dem Auf und Ab seines Gedankenstroms. Er erinnert sich erneut an seine Bohéme-Zeit in Paris und an den Zeitpunkt der Rückkehr nach Dublin wegen der Erkrankung seiner Mutter. Stephen irritieren plötzlich zwei Frauen am Strand, dann stellt er sich vor, wie ein Besuch bei seinem Onkel, Richie Goulding, ausfallen würde, der die Familie durch seinen Alkoholismus tyrannisiert. Er fühlt sich allein. Auch der irische Nationalist Kevin Egan, den er in Paris getroffen hatte, ist ihm kein Vorbild. Ein mit einem Tierkadaver spielender Hund veranlasst ihn über den Sinn des Lebens nachzudenken. Schließlich wird ihm der Anblick des Meeres, in deren Fluten man ertrinken könne, wenn man wolle, zu einer Epiphanie, die ihm einige Gedichtzeilen entlockt.

Das Kapitel ist hauptsächlich im inneren Monolog geschrieben. Gleich dem Meeresgott Proteus, der ein Meister der Gestalt-Verwandlung ist, wenn er unerwünschten Fragen entkommen möchte, mäandern Stephens Gedanken ohne Antwort auf seine Fragen.

Hiermit endet die dreiteilige Sohnesgeschichte, die in Homers "Odyssee" als Telemachie bezeichnet wird.


Aus dem Englischen von Hans Wollschläger
Hörspielbearbeitung, Musik und Regie: Klaus Buhlert
Mit Jens Harzer, Manfred Zapatka und Thomas Thieme
SWR/DLF 2012
Länge: 54'25


anschließend:

Kapitel 4: Kalypso

Szene : Zuhause, Eccles Street 7 - Uhrzeit: 08.00 Uhr - Kunst: Wirtschaft - Symbol: Nymphe - Technik: Erzählung (reif)

Wechsel von Szene und Protagonist: Auch beim Anzeigenverkäufer Leopold Bloom in der Eccles Street 7 beginnt der Tag um 8 Uhr morgens. Dieser 40-jährige Ire ungarisch-jüdischer Herkunft bereitet in der Küche sorgsam das Frühstück für seine Frau Marion, genannt "Molly".

Bloom isst gerne Innereien. Nachdem er die schwarze Katze mit Milch versorgt hat, bekommt er selber Appetit und geht aus dem Haus, nicht ohne zuvor seine Frau nach ihren Wünschen zu fragen. Sie schläft weiter. Es kündigt sich ein schöner Tag an. Bloom schwitzt, denn er trägt schon schwarz für die Beerdigung von Paddy Dignam. Auf dem Weg zum Metzger Dlugacz, wo er eine Niere erwirbt, taxiert er die Umgebung nach ihrem ökonomischen Wert und verliert sich in Tagträumen über die Faszination des Fernen Osten sowie den erwachenden Sexus eines vor ihm laufenden Mädchens. Auf dem Rückweg trübt sich seine Stimmung im Gedanken an weibliche Untreue, die Leiden der Juden, die Ödnis der Wüste und die eigene Vergänglichkeit. Zuhause zurück, brät er die Niere und bringt Molly Frühstück und Post. Ein Brief, den sie unter ihr Kopfkissen schiebt, stammt von Blazes Boylan. Er ist adressiert an "Mrs. Marion Bloom" - und nicht wie es sein müsste an "Mrs. Leopold Bloom". Boylan ist ihr Konzertmanager - und Bloom vermutet auch ihr Liebhaber. Er kündigt sich für 16 Uhr an, um mit ihr Lieder wie "Seaside Girl", "Love's Old Sweet Song" oder Arien aus dem "Don Giovanni" einzustudieren. Bloom duldet stillschweigend Mollys Affairen, aber der Gedanke an ihr Stelldichein lässt ihn den Tag über nicht mehr los.

Der Geruch der angebrannten Niere ruft Bloom vom Schlafzimmer in die Küche. Sie schmeckt ihm trotzdem und er liest dabei den Brief seiner Tochter Milly. Sie geht auswärts in die Lehre und hat einen Studenten kennen gelernt. Anschließend erleichtert sich Bloom genüsslich mit einer Zeitung im Klohäuschen. Der Glockenschlag der George's Church erinnert ihn an Dignams Beerdigung.

Odysseus ist nach seinem Schiffbruch gefangen auf der Insel der Nymphe Kalypso. Er verlässt sie und kehrt zurück nach Ithaka, zu Penelope. Wie die Nymphe Odysseus bestimmt Molly die Gedanken ihres Mannes. In der Nacht, bei Blooms Rückkehr, wird sie aber Penelope sein. Joyce beschreibt in klassischer Erzählhaltung den Alltag von Leopold Bloom. Er nutzt den inneren Monolog, um Bloom aus subjektiver Perspektive zu charakterisieren


Aus dem Englischen von Hans Wollschläger
Hörspielbearbeitung, Musik und Regie: Klaus Buhlert
Mit Manfred Zapatka, Dietmar Bär, Birgit Minichmayr, Milan Peschel und Thomas Thieme
SWR/DLF 2012
Länge: 49'39

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