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Workshop
Rassismus auf dem Campus

Kampagnen wie das Fotoblog "#AuchIchBinDeutschland" machen deutlich, dass Fremdenfeindlichkeit auch vor dem Campus nicht Halt machen. Die Betroffenen schweigen oft aus Angst vor Nachteilen. Um Toleranz für andere Religionen und Kulturen zu fördern, hat Nordrhein-Westfalen eine Workshop-Reihe initiiert.

Von Ulrike Hummel | 11.06.2014
    793 Studenten sitzen bei der Erstsemesterbegrüßung am Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau in Koblenz-Rheinland-Pfalz im großen Hörsaal.
    Muslimische und jüdische Studierende in Deutschland machen Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassismus. (dpa / picture alliance / Thomas Frey)
    "Es war kurz vor dem Mittagsgebet, gegen halb zwei: Da haben wir uns getroffen, sind dann hochgegangen zum Gebetsplatz und haben gesehen, dass der Ort mit rohen Eiern beschmutzt war. An den Wänden, auf dem Boden und auf dem Waschbecken."
    Tarek Al-Shami und seine Kommilitonen waren schockiert, als sie die Verwüstung des Raumes Anfang April entdeckt haben. Dazu bekannt habe sich bislang noch niemand, klar sei jedoch, dass es sich gegen Muslime richtete. Auch in einem anderen Fall ist ein Gebetsraum mit Schmierseife beschmutz worden. Studenten berichten zudem, dass es Professoren gäbe, die nicht muslimische Doktoranden bevorzugen.
    Der 33-Jährige studiert an der Technischen Hochschule in Aachen und macht dort gerade seine Diplomarbeit im Fach Maschinenbau. Einen offiziellen Gebetsraum gibt es an der Rheinisch-Westfälischen Hochschule nicht - mit Verweis auf die nahe gelegene Bilal-Moschee am Rande des Campus. Für die meisten Studenten aber ist der Weg dorthin zu weit, sodass sie sich im letzten Stockwerk des neuen Bibliotheksgebäudes zum Gebet zurückziehen.
    "Es ist unter Muslimen bekannt, dass man dort die Ruhe und Abgeschiedenheit zum Beten hat und deswegen hat es sich mit den Jahren so entwickelt, dass wir uns da treffen und gemeinsam beten. Es gab dann Diskussionen, ob wir das melden sollen oder ob wir ruhig bleiben sollen, aber keiner hat sich wirklich getraut, dann damit an die Öffentlichkeit oder zu bestimmten Institutionen zu gehen. Die Angst besteht eben darin, dass es komplett verboten wird, dort zu beten. Und dass wir somit einen Gebetsplatz verlieren."
    Da ein solcher Vorfall nicht gemeldet wurde, könne man sich dazu auch nicht äußern, hieß es vonseiten der Hochschule. Hat der religiös motivierte Rassismus die deutschen Hochschulen erreicht?
    "Wir wissen, dass es an den Universitäten Vorbehalte gegenüber Juden und Muslimen gibt, auch aus Erhebungen. Wobei ich Diskriminierungen und Rassismus weniger an konkreten Aktionen - etwa der Schändung des muslimischen Gebetsraumes - messe, sondern an den Reaktionen darauf."
    Ein Klima der Angst
    Seitens der Betroffenen herrsche ein Klima der Angst. Muslimische Studenten beschwerten sich oft nicht über Anfeindungen, da sie Nachteile fürchteten - das sei besorgniserregend, sagt Bacem Dziri, langjähriger Präsident des Rates muslimischer Studierender und Akademiker. Seitens der Hochschulen nehme man offizielle Beschwerden nicht ernst genug; sie gingen auf dem Verwaltungsweg oft unter, beklagt Dziri.
    Auch innerhalb der jüdischen Community hält man sich bedeckt. Ein offener Antisemitismus sei an den Hochschulen nicht bekannt. Aber jüdische Studenten berichteten durchaus von antisemitischen Äußerungen subtiler Art, weiß Anastassia Pletoukhina von der Jüdischen Gemeinde in Berlin. Ressentiments gegenüber katholisch oder evangelisch Studierenden seien bislang nicht bekannt.
    Dass religiöse Vielfalt im einst säkularen Raum der Hochschule zugleich Chance aber auch Herausforderung bedeutet, diskutierten Experten jüngst bei einem Religions-Workshop in Münster. Dazu eingeladen hatte die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze:
    "Es wurde sehr offen darüber diskutiert, wie religiöse Hintergründe sind und was sich verändert hat. Wir haben ja bereits seit den sechziger Jahren muslimische Studierende; es haben einige geschildert, dass sich mit dem 11. September natürlich eine Menge verändert hat und dass sie auch neue Diskussionen führen mussten."
    Hochschulen seien Orte der Kommunikation. Religiös motivierten Diskriminierungen auf dem Campus könne man am besten begegnen, indem ein offener Austausch darüber stattfinde, sagt die Ministerin. Der Abschluss-Workshop einer siebenteiligen Reihe zum Thema Vielfalt an Hochschulen findet nun am 13. Juni in Düsseldorf statt. Diversity-Merkmale wie Herkunft, Behinderung oder sexuelle Identität waren ebenso Gegenstand der Diskussionen.