Die Schachspieler von Tunis

Von Marc Thörner · 09.07.2013
"Die islamische Republik haben wir schon heute" sagt der eine. "Die Scharia kommt nie" der andere. Der eine entspricht mit seinem weißen Bart und seinem gravitätischen Auftreten dem Klischee vom Islamistenführer.
Der andere wirkt mit seiner dicken Brille, seiner Freizeitkleidung und seiner burschikosen Art wie ein Bürgerrechtler aus dem Bilderbuch. Rachid Ghannouchi steht für den Anspruch der Islamisten, das System zu übernehmen.

Moncef Marzouki ist Übergangspräsident und verkörpert die linken, säkularen Kräfte, von denen die Arabellion einst ausging. Doch während sie ihre bekannten Standpunkte wiederholen und Kompromisse miteinander aushandeln, gleicht ihr Dialog zusehens einem Schachspiel alter Männer, über das die Zeit hinweggegangen ist.

Mörder und Milizenführer scheinen der Politik mehr und mehr den Takt vorzugeben. Werden sich nach den für Juni 2013 geplanten Wahlen noch einmal Linke und gemäßigte Islamisten die Macht teilen? Oder rutscht Tunesien unaufhaltsam in die Gewalt ab?


DLF 2013