Zwischen Sexismus und Homophobie

Von Ronny Blaschke · 26.06.2011
Fußballerinnen werden oft als männlich, robust oder burschikos beschrieben. Die Grenzen zwischen Sexismus und Homophobie sind fließend. Auch deshalb wollen Profispielerinnen nicht über Sexualität sprechen, auch deshalb vermarkten sie ihre Weiblichkeit.
In diesen Wochen rücken wieder Paraden, Konzerte und Ausstellungen die Rechte von Homosexuellen in den Vordergrund. Auch der Deutsche Fußball-Bund finanziert einen Wagen für den Christopher Street Day. DFB-Präsident Theo Zwanziger widmete 2009 ein Männer-Länderspiel dem Kampf gegen Homophobie. Er hielt eine Rede vor schwulen Unternehmern und schob in der ARD einen Tatort zum Thema an. Doch reichen diese Botschaften aus, um Klischees aufzubrechen?
Die Biesalski-Schule im Berliner Bezirk Zehlendorf ist eine Förderschule für Kinder mit Behinderungen. Tanja Walther-Ahrens arbeitet hier seit fünf Jahren als Lehrerin. Früher war sie in der Bundesliga aktiv, für Tennis Borussia Berlin und Turbine Potsdam. Oft hat sie sexistische und homophobe Sprüche gehört: Nur Lesben und Mannsweiber würden Fußball spielen. In der Biesalksi-Schule möchte die 40-Jährige früh mit ihren Schülern ins Gespräch kommen – damit Vorurteile gar nicht erst entstehen können.

"Wir hatten schon mal eine Klasse zum Beispiel, die halt immer auch gelästert haben über Schwule und Lesben. Die Kollegin, die die Klasse hat, hat mich dann einfach gefragt, ob ich nicht mal dazu kommen will. Und dann haben wir halt mit den Kids gesprochen, was daran so eklig ist und ob sie überhaupt Schwule und Lesben kennen. Ich habe dann auch so provokativ halt mal gefragt, na ist denn eure Lehrerin lesbisch, dann haben sie alle gesagt: nein, nein, nein. Und dann habe ich gefragt, na bin ich denn lesbisch, und dann auch alle: nein, nein, nein, geht ja gar nicht. Und dann habe ich gesagt: seht ihr, habt ihr jetzt irgendwie falsch gedacht, eine von uns beiden ist lesbisch. Dann waren sie erstmal ganz, ganz irritiert. Es hat ihnen schon gezeigt, dass sie da vielleicht ein bisschen schräg denken."
Tanja Walther-Ahrens ist in einem Dorf in Hessen aufgewachsen. Ihre Großmutter wollte sie als Kind in Kleider stecken und von Fußball fern halten. Ihre Großmutter stammt aus einer Zeit, die geprägt war von Sexismus und Vorurteilen. Auch im Fußball.

April 2011, der Sportausschuss des Bundestages. Die Kulturwissenschaftlerin Tatjana Eggeling blickt auf eine vollbesetzte Besuchertribüne, seit Jahren forscht sie zu den Themen Homosexualität und Geschlechterrollen. Die Sportpolitiker haben das Thema zum ersten Mal auf ihrer Tagesordnung.
"Sport überhaupt ist ja eine Möglichkeit, sich zu erproben, an die Grenzen zu gehen, auszuprobieren, was kann ich, was kann ich besonders gut. Und da glaube ich, dass viele Frauen den Fußballsport gewählt haben, vielleicht auch weil es sie gereizt hat, in eine Männerdomäne einzubrechen. Und es ist ja auch tatsächlich so gewesen, dass lange Zeit besonders für Lesben der Fußball attraktiv war, was wiederum manche Heteras davon abgehalten hat Fußball zu spielen, weil es sowieso eine Lesben-Sportart ist."
Lesbische Bundesliga-Spielerinnen bekennen sich nicht öffentlich, aus Angst vor Ausgrenzung und dem Verlust ihrer Sponsoren. Sie unterdrücken einen Teil ihrer Identität. Frauen wird im Männlichkeits-Reservat Fußball oft die Kompetenz abgesprochen. In Vereinsvorständen, Sportgerichten, Fußball-Redaktionen sucht man sie laut Tatjana Eggeling vergeblich.


Links zur Frauen-Fußball-WM auf dradio.de:

"Aktuell" vom 21.6.2011: Die weltbesten Kickerinnen zu Gast in Deutschland - Wer gewinnt die Frauenfußball-WM 2011?

"Aktuell" vom 22.6.2011: Fußball für die Ohren - Alle Beiträge zum Nachhören - die FIFA Frauen WM 2011 im Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur
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