Zwischen Obhut und Kandare

26.11.2011
Auf einem englischen Landsitz wird eine neue Gouvernante eingestellt. Ihr sind zwei Waisenkinder anvertraut, deren Vormund mit Erziehungsfragen nicht behelligt werden will. Bald mischen sich die Geister des verstorbenen Dieners und ihrer Vorgängerin in das Geschehen ein. Was ist Wirklichkeit, was Fantasie in diesem Psychokrimi, an dessen Ende der Junge stirbt und das Mädchen wahnsinnig wird?
"The Turn of the Screw" ist Benjamin Brittens dritte Kammeroper, 1954 uraufgeführt. Versuche, eine gute deutsche Entsprechung zu finden, gab es einige. "Die Besessenen" ist inhaltlich aussagestark. Aber direkt übersetzt als "Die Drehung der Schraube" wird die beklemmende Situation sehr bildlich beschrieben. Mit jeder Szene, mit jeder Drehung wird die Schraube fester angezogen, steigen Spannung und Grauen im Landhaus Bly.

Für Cornelius Meister, den Dirigenten der Wiener Neuproduktion, besteht der Reiz dieser Oper in der Reduktion und Konzentration. Nur sechs Sänger und dreizehn Instrumentalisten bestreiten das gesamte Stück. Und der musikalische Verlauf wird im Wesentlichen von einem Thema bestimmt, das in mannigfachen Varianten die Szenen zusammenhält, nachwirken lässt und vorwegnimmt. Die aufregende Story lässt verschiedene Deutungen zu.

In der Literaturwissenschaft wurde über Jahrzehnte darüber gestritten, wie das Drama von Henry James zu verstehen sei, nach dem Myfanwy Piper das Libretto verfasst hat. Man kann es als einfache Geistergeschichte betrachten, aber auch als eine feinsinnige psychologische Studie. Mit dem Regisseur Robert Carsen war sich Cornelius Meister darin einig, keine eindeutige Haltung in dieser grundsätzlichen Frage einzunehmen. Da Carsen auch für Bühnenbild, Kostüme und Licht verantwortlich zeichnet, konnte das Zweierteam eine sehr stimmige Inszenierung erarbeiten, die dem Publikum genügend Anregungen bietet, um die eigene Fantasie spielen zu lassen.



Euroradio-Opernsaison 2011/12
Theater an der Wien
Aufzeichnung vom 17.9.11

Benjamin Britten
"The Turn of the Screw”
Oper in einem Prolog und zwei Akten op. 54
Libretto: Myfanwy Piper

Peter Quint/Sprecher des – Nikolai Shukoff, Tenor
Die Gouvernante – Sally Matthews, Sopran
Mrs. Grose – Ann Murray, Sopran
Miss Jessel – Jennifer Larmore, Sopran
2 kleine Kinder:
Miles – Teddy Favre-Gilly, Sopran
Flora – Eleonore Burke, Sopran
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Leitung: Cornelius Meister
nach dem 1. Akt ca. 21:05 Uhr Pause mit Nachrichten
Michael Blees im Gespräch mit Cornelius Meister