Zwei Frauen suchen das Glück oder wenigstens ein reines Gefühl

09.06.2012
Die amerikanische Schriftstellerin Jane Bowles hat nur wenig geschrieben, darunter ihren einzigen Roman "Zwei ernsthafte Damen", in dem diese sämtliche Konventionen auf den Kopf stellen. Die beiden Frauen handeln fast ständig außerhalb dessen, was wir als Normalität bezeichnen, und versuchen doch dem Leben Großes abzuringen.
Die amerikanische Schriftstellerin Jane Bowles ist eher legendär, denn berühmt zu nennen. Sie hat wohl einfach zu wenig geschrieben, um ein großes Publikum einzusammeln. Dabei erklärte Tennessee Williams sie zur "größten englisch schreibenden Autorin unseres Jahrhunderts".

Sie lebte von 1917 bis 1973 - wild, unstet, suchend - ob in New York, Südamerika, Paris oder Tanger. War verheiratet mit dem überwiegend homosexuellen Schriftsteller Paul Bowles und liebte selber meist Frauen. Sie litt an Schreibblockaden, trank, nahm Drogen und hatte mit 39 Jahren einen Schlaganfall, von dem sie sich nie mehr wirklich erholte.

Jetzt hat der Schöffling Verlag - ihm sei Dank - ihr schmales Werk in einem Schuber veröffentlicht. Darin ein informatives Beiheft, ein schmaler Band mit Erzählungen, "Einfache Freuden" betitelt, der eher bestürzende, denn einfache Lesefreude macht, sowie Bowles einziger Roman "Zwei ernsthafte Damen". Ein so aufregendes wie merkwürdiges Buch, in dem die Geschichten zweier Frauen erzählt werden, die nur ganz lose miteinander verknüpft sind.

Da ist einmal Christina Goering, reich und fein, in deren schönem Haus sich eine schmarotzende Mitbewohnerin eingenistet hat und die höchst ungern die komfortablen Lebensverhältnisse eintauscht gegen das einfache Leben, das die exzentrische Christina eines Tages zu führen beschließt. Sie mietet eine schlichte Hütte auf einer unwirtlichen Insel, hat alsbald einen weiteren skurrilen Mitbewohner und entschwindet aus diesem Leben, weil sie in einer Kneipe einen eher unappetitlichen Alkoholiker kennengelernt hat, bei dem sie bleibt - bis zum nächsten liebesleeren Abenteuer.

Die andere Dame heißt Mrs. Copperfield. Reist mit ihrem reizenden Gatten, den sie sehr liebt, nach Panama und beschließt dort, in einem Hurenhaus zu leben, weil sie einer der käuflichen Damen verfällt.

Es sind nicht die skandalösen Geschichten, die den Roman zur Sensation machen, es ist die abrupte Unmittelbarkeit, mit der sie erzählt werden. Auf nichts ist Verlass. Keine Reaktion, kein Gefühl, kein Dialog entspricht gängigen Verhaltensnormen. Die Damen sind unberechenbar und handeln fast ständig außerhalb dessen, was wir als Normalität bezeichnen. Doch das wird alles erzählt im schnörkellosen Ton der Selbstverständlichkeit.

Jane Bowles ist eine Meisterin im Schildern der unschuldigen Verkommenheit. Die so verzweifelt verworfenen Damen handeln gegen jedes gute Benehmen und gegen jeden guten Geschmack und tun es in hemmungsloser Unbefangenheit.

Es gibt keine Moral in diesem Roman, keine Wertung und keinen Zynismus. Der eisklare Blick der Jane Bowles hat nichts Kaltschnäuziges. Es scheint vielmehr hinter jedem forschen Akt der Selbstbehauptung die Weltverlorenheit der Frauen auf. Die dem Leben mit aller Kraft etwas abringen wollen, etwas Neues, ein reines Gefühl vielleicht, eine wahrhafte Erregung. Oder jedenfalls ein zerstörtes Ich. Von dem Mrs. Copperfield am Ende behauptet, es sich seit Jahren gewünscht zu haben.

Die trostlose Leere, die sich auftut, ist bodenlos.
Und so liest man das Buch nicht ohne lustvolle Schwindelanfälle.

Besprochen von Gabriele von Arnim

Jane Bowles: Zwei ernsthafte Damen
Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek
Schöffling &Co., Frankfurt / Main 2012, 295 Seiten
Im Schuber mit einem Band Kurzgeschichten und einem Beiheft: 44 Euro