Zwangsprostitution im Krieg

Als "Trostfrau" im japanischen Militärbordell

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Eine Skulptur in Nanjing erinnert an das Schicksal der sogenannten "Trostfrauen" in den japanischen Militärbordellen im Zweiten Weltkrieg © picture alliance / dpa / Liu Jianhua
Von Carolin Pirich · 17.01.2018
Mit 13 Jahren wurde Gil Won-Ok 1940 von japanischen Soldaten aus ihrem Elternhaus verschleppt. Fünf Jahre lang musste sie als sogenannte "Trostfrau" Sexarbeit in einem Militärbordell leisten. Bis heute wartet sie auf eine Entschuldigung der japanischen Regierung.
Frau Gil singt. Sie erfüllt sich damit einen ihrer beiden Lebensträume. Kürzlich hat sie sogar eine CD aufgenommen mit koreanischen Liedern, mit 90 Jahren, in Seoul. Jetzt singt sie vor den Journalisten in Berlin, hoch oben über den Dächern des Wedding im Büro der Frauenrechtsorganisation Terres des Femmes. Draußen ein bleistiftgrauer Winterhimmel, drinnen Konzentration.
Am liebsten singt Frau Gil von Han. Han - und da wird es komplex. Das Wort bezeichnet eine Art Knoten, hinter dem sich das koreanische Konzept von der Gram der Menschen verbirgt. Diesen Knoten, ein schweres Schicksal, gilt es, anzunehmen, aber auch zu versuchen, ihn aufzulösen. Das hat Frau Gil versucht:
"Seitdem ich 13 bin, ich glaube, dass ich immer gesungen habe, auch in den dunkelsten Stunden, weil ich wirklich gern singe. Ich denke, dass die meisten die Hoffnung verlieren. Aber ich habe niemals die Hoffnung verloren, mit 90 hat sich mein Traum erfüllt."

Statt Sängerin wurde sie Sexsklavin

Der Traum, Sängerin zu sein. 1940, sie war 13 Jahre alt, wurde Gil Won-Ok von japanischen Soldaten aus ihrem Elternhaus in Pjöngjang verschleppt und als sogenannte Trostfrau in den "Militär-Bordellen" der Japaner zur Sexarbeit gezwungen. Erst fünf Jahre später kam sie frei. Sie hatte Infektionen, Geschlechtskrankheiten, musste operiert werden. Sie wurde unfruchtbar.
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Heute ist die frühere "Trostfrau" Gil Won-Ok 90 Jahre alt.© Tsukasa Yajima
Nach dem Krieg wollte sie zurück zu ihren Eltern. Das Land war inzwischen geteilt, in Nord und Süd. Nach Pjöngjang konnte sie nicht zurück. Sie ging nach Seoul und arbeitete in einer Hafenstadt in der Nähe als Gemüsehändlerin.
1960 adoptierte Frau Gil ein Kind, das eine Frau unehelich gebar.
"Frau Gil war eine der letzten, die sich geoutet hat." Die alte Dame ist erschöpft von der langen Reise nach Berlin. Deshalb erzählt die Dolmetscherin jetzt Frau Gils Geschichte Vielleicht strengt es sie auch zu sehr an, sich zu erinnern. Sie sitzt im Rollstuhl, an ihrem kamelfarbenen Wollpulli hängt ein leuchtend orangefarbender Schmetterling. Immer wieder sinkt ihr Kinn auf die Brust, als würde sie einnicken.

Aus Scham schwieg sie jahrzehntelang

Vor gut 20 Jahren, erzählt die Dolmetscherin, hörte Frau Gil zusammen mit ihrer Schwiegertochter eine Fernsehsendung, in der eine Frau darüber sprach, Trostfrau gewesen zu sein.
"Sie hatte auch lange gesagt: Warum muss man da jetzt öffentlich auftreten, beim Fernsehen? Das hat ihre Schwiegertochter gehört und sie gefragt: Was sagst du denn, was meinst du damit? So ist das rausgekommen."
Erst jetzt erfuhr der Sohn, dass Gil Won-Ok nicht seine leibliche Mutter ist. Bis dahin hatte sie geschwiegen, weil sie nicht erzählen konnte, was ihr als Mädchen und junge Frau angetan worden war. Aus Scham, aus Schuldgefühl.
"Ich glaube, dass der Mensch in einer solchen Situation doch Kraft entwickelt, diese schlimmen Erfahrungen zu überwinden. Jeder Mensch denkt anders, tickt unterschiedlich, aber in meinem Kopf hat sich eingeprägt, dass ich niemals die Hoffnung aufgeben darf und weiterschauen muss. Ich bin hierher gekommen, um ihnen die Wahrheit bekannt zu geben."
2007 hat Gil Won-ok vor dem europäischen Parlament von ihrem Schicksal berichtet. Die Parlamentarier haben daraufhin eine Resolution verfasst, dass die japanische Regierung diese Kriegsverbrechen anerkennen soll.

Jeden Mittwoch demonstriert sie vor der japanischen Botschaft

Jetzt ist Gil Won-Ok 90. Trotzdem ist sie noch ein letztes Mal nach Europa gereist. Sie will, dass man sich daran erinnert, was Soldaten Mädchen angetan haben, Männer Frauen, Menschen anderen Menschen. Damit es nicht wieder passiert.
"Bevor ich angefangen habe, aktiv zu sein, habe ich mich dafür geschämt, ich wollte nicht darüber sprechen. Aber durch meine Aktivität denke ich nun, dass das nicht mein persönlicher Fehler ist, sondern der Staat dafür verantwortlich ist, nicht ich."
Sobald sie nach Seoul zurückfliegt, wird sie wieder jeden Mittwoch vor der japanischen Botschaft dafür demonstrieren, dass die japanische Regierung sich offiziell bei ihr und den anderen "Trostfrauen" entschuldigt. Sie wird in ihrem Rollstuhl vor der Botschaft sitzen und ihre Geschichte erzählen. So lange sie es kann.
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