Zusammenprall der Religionen und der Zeiten

25.10.2013
Christliche Ängste vor dem Islam, der Bau von Minaretten, Morde durch den Geheimdienst, verborgene Glaubensorganisationen, Nachwirkungen des Bosnienkriegs: Diese Themen vermischt Sebastijan Pregelj zu einem temporeichen Fantasy-Roman.
Vier Weise sind mit Geschenken in die slowenische Hauptstadt Ljubljana gereist, um die Ankunft des Propheten Akbar zu feiern. 446 Jahre haben sie durch Ost und West fahren müssen. Dem lange Erwarteten bringen sie Geschenke mit, darunter einen Miniaturkoran und einen mit Samt verkleideten Würfel, in dessen Innerem vier Spiegel die bösen Blicke ablenken.

Der Prophet ist missgestaltet. Er hat nur ein Auge, einen verstümmelten Körper und sitzt in einem gläsernen Gefäß. Es befindet sich in der Wohnung eines 103-Jährigen im neunten Stock des Nebotiènik, einem Turmhochhaus aus den 1930er-Jahren. Akbars Worten werden die "anderen Leute aus dem Buch" lauschen, verspricht die Legende. Gemeint sind die im Koran erwähnten Christen. Der slowenische Geheimdienst hält freilich wenig vom neuen Glauben und stürmt die Wohnung.

Wanderungen und Taten der Weisen
Der 1970 geborene Sebastijan Pregelj erzählt in seinem Roman "Auf der Terrasse des Turms von Babel" vom Zusammenprall der Religionen und der Zeiten. Passenderweise verschneidet er dafür unterschiedliche Erzähltypen. Die Hoffnung auf einen Propheten, der Islam und Christentum durch Reden von einem gläsernen Minarett aus vereint, wechselt mit Action-Elementen. Aus der Gegenwart des ersten Romanteils führt ein zweigeteilter zweiter zu islamischen und christlichen Legenden aus 500 Jahren. Sie erzählen von Wanderungen und Taten der Weisen sowie den Gegenmaßnahmen derer, die die Prophezeiung fürchten und goldene Miniaturkirchtürme planen.

In einem dritten Teil zeigt Pregelj Jahre später ein junges Paar, das in die Erstürmung des Nebotiènik verwickelt war. Die Journalistin, die den greisen Wohnungsinhaber interviewen wollte, wäre beinahe durch ihren Freund, einen Scharfschützen, umgebracht worden. Und ihr Kind Eva, unmittelbar zuvor durch Handauflegen von dem 103-Jährigen empfangen, spielt insgeheim mit den überlebenden Weisen.

Gespür für heikle Gegenwartsthemen
Christliche Ängste vor dem Islam, der Bau von Minaretten, Morde durch den Geheimdienst, verborgene Glaubensorganisationen, Nachwirkungen des Bosnienkriegs – man kann Pregelj nicht vorwerfen, kein Gespür für heikle Gegenwartsthemen zu besitzen. Differenzierte Charaktere vermag der Autor, der es mit jedem seiner bisher drei Romane auf die Shortlist des angesehenen Kresnik-Preises schaffte, allerdings nicht zu zeichnen. Das junge Paar bleibt blass, der 103-Jährige scheint Pregelj mit Verdauungsbeschwerden hinreichend charakterisiert.

Action und Legenden gelingen ihm dagegen weit besser. Dass "Legenden der Sauerteig des Glaubens" seien, wie es einmal heißt, dürften weder Muslime noch Christen Pregelj durchgehen lassen. Ihm sind sie vielmehr Sauerteig einer Story, die Gegenwart und Vergangenheit, Realia und Fiktiva, Dinge und Sätze mit Hilfe von Träumen und Erscheinungen miteinander verknüpft. Wie im Computerspiel tut sich immer eine neue Tür auf. Ein fehlerfreies Gewebe gelingt Pregelj nicht, es gibt manch Blindmotiv und fehlenden Anschluss. Aber unterhaltsam ist sein temporeicher Fantasy-Roman aus dem Geist des Computerspiels dennoch.

Besprochen von Jörg Plath

Sebastijan Pregelj: Auf der Terrasse des Turms von Babel
Aus dem Slowenischen von Erwin Köstler
Drava, Klagenfurt/Celovec 2013
247 Seiten, 21,80 Euro