Zurückhaltende Beobachter

14.03.2011
Ständig neue Bilder von der Katastrophe im Minutentakt: Auch die Japaner sehen diese Bilder, doch sie hätten eine andere Lesart, sagt Alexander Freund, Asien-Experte der Deutschen Welle.
Dass man z.B. Frauen sieht, die mit einem Kichern erzählen, dass gerade ihr Haus weggespült worden sei, läge an der Kultur in Japan, so Freund: "Es ist einfach so, dass die Japaner tiefe Gefühle nicht in der Öffentlichkeit zeigen, sie tauschen diese negativen Gefühle wirklich nur mit dem Partner aus. Man überspielt das Leid mit Lächeln. Das ist eben auch eine Art Kultur, die das eigene Leid dem anderen nicht auch noch aufladen will. Das ist eine Konsensgesellschaft."

Obwohl hinsichtlich der möglichen Reaktorkatastrophe Informationen nur scheibchenweise bekannt gegeben werden, seien die Japaner "erstaunlich zufrieden mit der Informationspolitik der Regierung". Für japanische Verhältnisse sei diese Regierung recht offen.

Die japanischen Journalisten würden sich momentan in der Rolle des Chronisten sehen und versuchen, bei den Bergungsarbeiten zu helfen: "Die japanische Berichterstattung wird auch kritischer, aber sie ist halt keine Berichterstattung die wirklich konfrontativ auf die Regierung zugeht, Kritik wird nun mal nicht so laut geäußert, wie das bei uns ist, die gibt es, aber ob das sozusagen vor der laufenden Kamera ausgetragen wird - das ist einfach 'ne andere Kultur".

Erstaunlich sei es, so Freund, dass es keine Bilder von Opfern gebe: "Die großen aufgerissenen Augen oder das Entsetzen oder, wie wir das aus Haiti kannten, selbst Leichenteile - so was wird man aus Japan nicht sehen, das verstößt einfach gegen die japanische Ethik".

Sie können das vollständige Gespräch mit Alexander Freund mindestens bis zum 14.08.2011 in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören. MP3-Audio