Zur Lage der Geflüchteten in Bosnien

Die EU streitet, statt zu handeln

02:19 Minuten
Ein Flüchling steht an einem Zaun mit einem Schild, auf dem steht: "Wir erfrieren. Rettet uns."
"Wir erfrieren, bitte rettet uns": Die Geflüchteten im Lager Bihac protestieren. © picture alliance/AA/Amar Mehic
Ein Kommentar von Paul Vorreiter · 13.01.2021
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In den Flüchtlingslagern im Norden Bosniens herrschen mitten im Winter erbärmliche Verhältnisse. Hilfsorganisationen und Wetterexperten warnen vor einer Verschlechterung der Lage. Das Problem ist vonseiten der EU hausgemacht.
Bosnien-Herzegowina will Mitglied der Europäischen Union werden. Das ist mit Pflichten verbunden. Eine davon: für "Good Governance" sorgen. Damit ist gemeint, verlässlich, effizient und transparent mit Geld umzugehen.
Seit 2018 flossen mehr als 80 Millionen Euro aus Brüssel, um die Migrationssituation zu verbessern. Das kleine Land, das zwischen Griechenland und den Zielorten der Migranten in der Europäischen Union steckt, kennt seine geografische Lage und kennt seine Winter. Für winterfeste Lager zu sorgen, ist nicht zu viel verlangt.

Von "Good Governance" keine Spur

Der zuständige Koordinator der Internationalen Organisation für Migration hatte vor Kurzem den Finger in die Wunde gelegt: Weder die internationale Unterstützung, noch die Anzahl der Migranten sind das Problem. Es liegt an den politischen Entscheidungen vor Ort.
Das kleine Land ist ganz offensichtlich überfordert. Zoff zwischen Zentralregierung und lokalen Behörden lähmen das Krisenmanagement. Von "Good Governance" also keine Spur.

Die EU hat keine Asylpolitik

Natürlich ist das nur die halbe Wahrheit. Bosnien-Herzegowina ist so etwas wie das Niemandsland der europäischen Asylpolitik. Wie die Bannmeile nach einem Reaktorunfall, eine verlassene Geisterstadt, die es eigentlich nicht geben dürfte.
Der Unfall, das ist die fehlende europäische Asylpolitik. Gäbe es sie, dann dürften gar keine Migranten auf der Durchreise im Westbalkan festsitzen. Legale Fluchtwege, Prüfungen an den Außengrenzen und Abschiebungen würden das verhindern. So sieht es ja auch der neue Asyl- und Migrationspakt vor, den die Kommission im Herbst vorgestellt hat.

Migrationspolitik bleibt Niemandsland

Aber die Mitgliedstaaten streiten über den neuen Vorschlag genauso wie zuvor schon über feste Verteilquoten. Und so lange das so ist, wird es keine gemeinsame, europäische Asylpolitik geben. Oder wie ich sagen würde: Migrationspolitik bleibt Niemandsland.
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