Zur Debatte um rechte Literatur

Darf man neben Rechten lesen?

Auf einem Tisch auf der Frankfurter Buchmesse liegen verschiedene Titel des Verlags Antaios.
Eine Auswahl von Büchern des Antaios-Verlag 2017 auf der Frankfurter Buchmesse: Bücher, wie jedes andere? © picture alliance / Sven Simon
Von Thorsten Jantschek · 06.11.2018
Klar darf man, muss man aber nicht: Autorin Margarete Stokowski hat ihre Lesung in der Münchner Buchhandlung Lehmkuhl abgesagt, weil dort unter anderem Bücher aus dem Antaios-Verlag verkauft werden. Unser Autor hat dafür Verständnis. Ein Kommentar.
Ja, ja, auch ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Zivilgesellschaft die Bücher der sogenannten Neuen Rechten lesen sollte, auch die des Antaios-Verlags, ja überhaupt, dass man mit den Neuen Rechten reden, sich ihren Argumenten stellen muss, und auch, dass man das nicht mit Schaum vorm Mund tun sollte.
Ich selbst habe schon zweimal mit Marc Jongen, dem Chefideologen der AfD, in diesem Programm gesprochen – einmal übrigens über die Aktualität des Denkens von Karl Marx. Das ist eine journalistische Herausforderung und, zugegeben, eine persönliche Zumutung.
Und genau deshalb möchte ich nicht meine Bücher in einer Buchhandlung kaufen, die dafür ein Regal aufstellt oder eine Rubrik bildet unter dem Titel "Neue Rechte, altes Denken". Und zwar aus zwei Gründen. Erstens: Wenn solche Regale aufgestellt werden, stiftet man Bedeutung, nicht für die Themen von Büchern, sondern für eine Bewegung, die sich um Intellektuelle, identitäre Aktivisten und eine Partei wie die AfD formiert.
Wenn es nicht mehr wäre als das, dann müsste man auch Regale für die "Klassische Linke" aufstellen, oder ein Regal für das "Neue liberale Denken", wie es von den Grünen und der FDP vorgelebt wird. Aber es ist eben doch mehr: Bedeutung zu stiften heißt eben auch, dieses Neue Rechte Denken zu kanonisieren. Das jedoch überhöht die wildwuchernde krude Esoterik rechten Denkens, wie sie etwa bei Antaios und Co. erscheint.

Hier wird kein Diskurs gefördert

Und zweitens: Was steckt denn hinter einer solchen Maßnahme für eine Vorstellung von Debattenkultur? Hier wird gar nicht in einen Diskurs gebracht, was in einen Diskurs gehört. Hier wird segmentiert. Es ist doch viel interessanter, wenn es sein muss, das Buch von Alexander Gauland neben das neue großartige Buch von Olaf Sundermeyer über Gauland zu stellen. Dadurch könnten Diskurs und Debatte angeregt werden.*
Ich erinnere mich an das angewiderte Gesicht des Buchhändlers, als ich in der Frankfurter "Karl Marx Buchhandlung" ein Buch von Carl Schmitt und eines von Karl Popper bestellt habe. Wir haben darüber gesprochen.
Was also soll so ein Regal "Neue Rechte, altes Denken" denn überhaupt jenseits des billigen Effekts, die schauerliche Geisterbahn fürs linksliberale Bürgertum zu sein und damit das von Jörg Meuthen gerne bemühte Diktum vom "links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland" auch noch zu bestätigen? Soll man da beherzt zugreifen, mit dem freundlichen Rechtsextremen aus dem Viertel ins Gespräch kommen? Ist doch Quatsch.
Ich kann verstehen, dass Margarete Stokowski ihre Lesung abgesagt hat. Aus persönlichen, politischen Gründen, als individueller Protest. Weil sie es als Zumutung empfindet. Wie gesagt: Kein Problem damit, wenn in meiner Buchhandlung neu- und altrechte Bücher verkauft werden, ja, auch wenn sie vorrätig sind.
Aber wenn sie von der Buchhändlerin oder dem Buchhändler meines Vertrauens kanonisiert, dadurch nobilitiert werden, und wenn so minderheitenfeindliche Positionen normalisiert werden, dann war es das, mit mir und dem Buchladen.


*Anmerkung der Redaktion, 7. November 2018:
Tatsächlich befinden sich in der Münchner Buchhandlung Lehmkuhl unter der Rubrik "Neue Rechte, altes Denken" sowohl das Buch "Gauland. Die Rache des alten Mannes" von Olaf Sundermeyer als auch das Buch "Anleitung zum Konservativsein" von Alexander Gauland im selben Regal. Nach Ansicht des Autors dieses Kommentars besteht in der Betitelung "Neue Rechte, altes Denken" dennoch eine Kanonisierung rechten Denkens und rechter Literatur. Anders verhielte es sich, argumentiert der Autor, wenn die Bücher ohne weitere Betitelung im politischen Segment der Buchhandlung zu finden wären, etwa neben Robert Habecks "Wer wir sein könnten" oder Winfried Kretschmanns "Worauf wir uns verlassen wollen: Für eine Idee des Konservativen".
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