Zum Tod von Krzysztof Penderecki

Musik als Lebensrettung

10:12 Minuten
Der Komponist Krzysztof Penderecki dirigiert ein Orchester.
Der Komponist Krzysztof Penderecki ist am Sonntag im Alter von 86 Jahren in Krakau gestorben. © Michal Kamaryt / imago images / CTK Photo
Anne-Sophie Mutter im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 29.03.2020
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Der Komponist Krzysztof Penderecki ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Mit der Violinistin Anne-Sophie Mutter verband ihn eine lange Freundschaft. Sie würdigt ihn als großherzigen, undogmatischen und der jungen Generation zugewandten Menschen.
Der polnische Komponist Krzysztof Penderecki ist am Sonntag im Alter von 86 Jahren in Krakau gestorben. Er genoss international höchstes Ansehen. Großes Aufsehen erregte er, als er 1959 beim Warschauer Wettbewerb junger polnischer Komponisten drei Stücke anonym einreichte und alle drei Preise gewann. Im Jahr darauf wurde Pendereckis Orchesterwerk "Anaklasis" in Deutschland uraufgeführt. Der Komponist hatte von da an einen festen Platz in der Neuen Musik. Und blieb doch sehr wandelbar.
Mit der Violinistin Anne-Sophie Mutter verband Krzysztof Penderecki eine lange Künstlerfreundschaft. Sie würdigt ihn als einen "sehr privaten, eher zurückgezogen lebenden Menschen, auch wenn er einen sehr extrovertierten Eindruck hinterließ. Ich glaube, das täuschte". Ihre Verbindung "war tief in seiner Musik verwurzelt und in dem, was ich als Interpret versucht habe, zu erspüren und an ihn zurückzugeben, an Herzblut und allerinnerster seelischer Schwingung", sagt Mutter.

Bewunderung für die Schöpfung

Besonders habe sie an ihm die Gespräche über Natur und Musikerkollegen geschätzt, sagt Mutter. Seine Liebe zu Bäumen ist bekannt. In der Nähe von Krakau schuf er einen Park mit über 1.700 Arten und mehr als 100.000 gepflanzten Bäumen. Diese Naturverbundenheit, diese Bewunderung für die Schöpfung finde man gerade in seinen sakralen Werken immer wieder und diese zeichne seine Musik auch aus, sagt die Star-Violinistin.
Die deutsche Violinistin Anne-Sophie Mutter vor Orchester.
Die Kompositionen, die Penderecki für sie geschrieben hat, hätten sie vielleicht auch zu einem sensibleren Menschen gemacht, sagt Anne-Sophie Mutter.© Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa
"Es gibt nicht viele Musiker, nicht viele Komponisten, die auch der jungen Generation so zugewandt sind", sagt Anne-Sophie Mutter. Einige der Stipendiaten ihrer Stiftung durften ihn beispielsweise kennenlernen, mit manchen arbeitete er sogar zusammen.

Großherzig und undogmatisch

Penderecki war aber nicht nur ein Komponist, er war auch Musiker, einer der sich besonders mit dem Instrument Geige auskannte, wie Mutter berichtet. Das habe ihn zu einem großzügigen Komponisten gemacht, der einerseits seine Geigerkollegen bis an die Grenze der Spielbarkeit herausforderte und andererseits unterschiedliche Denkansätze durchaus akzeptierte:
"Und das fand ich extrem großherzig, er war in allem eben ganz und gar undogmatisch und sehr der Zusammenarbeit verpflichtet, dem Hineinhorchen ins Orchester – und dann auch wirklich das aufnehmen, was ein Orchester in 'a given moment' in der Lage war, seiner Musik hinzuzufügen."

Tiefe Verbundenheit seit 1984

Mutter berichtet, wie Pendereckis Komposition "Metamorphosen", die sie 1995 uraufführte, wenige Wochen vor dem Tod ihres Mannes ihre Lebensrettung war. "Die Musik Pendereckis hat dadurch natürlich, besonders dieses zweite Violinkonzert 'Metamorphosen', in meinem Leben einen ganz besonderen, auch sehr persönlichen Stellenwert."
Pendereckis Tod sei ein großer Verlust für sie als Musikerin und als Mensch, weil sie sich ihm seit 1984 so tief verbunden gefühlt habe, sagt Mutter. "Und weil die Kompositionen, die er für mich geschrieben hat, in mir immer wieder Erschütterungen auslösen, die mich vielleicht auch zu einem sensibleren Menschen gemacht haben und somit vielleicht am Ende des Tages auch zu einer besseren Mutter. Ich weiß es nicht. Ich kann es nur hoffen."

Penderecki wollte seine Musik im Kontext der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung verstanden wissen. Das machte er immer wieder deutlich, wie Florian Kellermann berichtet:

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