Zum Tod von Bruno Ganz

"Ein ziemlich radikaler Denker und Spieler"

Der Schweizer Schauspieler Bruno Ganz, aufgenommen am 20. September 2004 in Zürich während eines Interviews
Der Schweizer Schauspieler Bruno Ganz, aufgenommen am 20. September 2004 in Zürich während eines Interviews © picture alliance/KEYSTONE
Michael Laages und Lukas Wallraff im Gespräch mit Axel Rahmlow · 16.02.2019
Unvergesslich - die Stimme. Viele von uns trügen ihren Klang wie ein lebendiges Stück Theatergeschichte mit sich weiter, sagt Kritiker Michael Laages über den verstorbenen Schauspieler Bruno Ganz. Eine Stärke sei auch seine Reflektionsfähigkeit gewesen.
"Das war immer eine große Herausforderung und große Lust, diesen Mann ganz einfach erstmal zu hören." - Dieser Mann, Bruno Ganz, ist gestern im Alter von 77 Jahren gestorben.
Theaterkritiker Michael Laages sah Bruno Ganz mit 17 Jahren zum ersten Mal in der Berliner Schaubühne. Die Stimme - "so 'ne sanfte Reibeisentiefe" - blieb ihm unvergesslich. "Das ist ja das Wesentliche an Bruno Ganz, dass Sie ihn nach zwei Sekunden erkennen", sagte Laages in unserem Programm.
Er lobte Ganz als einen Bühnenschauspieler, der immer sehr konzentriert auf die Aura und die Größe einer Rolle war: "Ein Menschendarsteller, der dieses ewige Gedankengegrübel so beieinander halten konnte."

"Unglaubliche Vielfalt" in zahlreichen Rollen

Auch im Kino habe Ganz dominiert - "aber immer mit ganz verschiedenen Typen". In seinen zahlreichen Filmrollen ab den 1970er Jahren habe er eine "unglaubliche Vielfalt" bewiesen.
"Im Kino konnte er schlicht und einfach offenbar alles mit dieser Persönlichkeit zu sich heranziehen, sich einverleiben und tatsächlich auch reproduzieren." Laages verwies auf ein Rollen-Spektrum von Almöhi in "Heidi" (2015) über Sigmund Freud in "Der Trafikant" (2018) bis zu Hitler in "Der Untergang" (2004).

"Generation von politisch sozialisierten Schauspielern"

Angefangen hatte Ganz seine Karriere in Göttingen am Jungen Theater, habe also auch die "Ochsentour" durch die Stadttheater hinter sich gebracht.
"Ganz gehörte zu einer Generation von politisch sozialisierten Schauspielern", sagte Laages. So habe er auch seine Rolle als Adolf Hitler, den er in einer Art "Rumpelstilzchenvariante" verkörperte, selbst kritisch hinterfragt.
Er war einer, der "ziemlich exzessiv" sein konnte, "ein ziemlich radikaler Denker und Spieler". Es bleibe von seinem Schauspiel "eine tolle Erinnerung, die jeder für sich selbst definiert", sagte Laages und ergänzte:
"Also man lebt ja mit solchen Menschen, mit solchen Gesichtern, mit solchen Stimmen, die man immer wieder erkennt. Und das ist ein lebendiges Stück Theatergeschichte, das man mit sich aufhebt und mit sich rumträgt, solange es eben geht. Und das ist grandios. Das gelingt nur sehr, sehr wenigen Menschen, Frauen und Männern auf der Welt, dass sie so sehr sich ins öffentliche Bewusstsein einprägen und erhaltbar bleiben."
(huc)
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