Zum Tod von Adam Zagajewski

"Dichter sein - eine Frage der Loyalität"

Porträt des polnischen Schriftstellers Adam Zagajewski, 2015.
Adam Zagajewski auf einem Foto von 2015. Der polnische Dichter kehrte nach Jahren in Paris nach Krakau zurück, wo er auch studiert hatte. Nun ist er dort gestorben. © imago images/NurPhoto/Artur Widak
Carsten Hueck im Gespräch mit Frank Meyer · 22.03.2021
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Der polnische Dichter Adam Zagajewski ist am Sonntag im Alter von 75 Jahren gestorben. Er begriff sich als Verteidiger der humanistischen Tradition. Zum Dichter-Sein gehörten ihm zufolge Konsequenz, Geduld und Langsamkeit.
Der polnische Dichter Adam Zagajewski ist am Sonntag im Alter von 75 Jahren gestorben. Zagajewski wurde vielfach ausgezeichnet, immer wieder auch als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt. Carsten Hueck hatte ihn vor einiger Zeit in Krakau besucht und sagt, es sei eine der nachhaltigsten Begegnungen gewesen, die er je mit einem Dichter gehabt habe.
"Es war ein Sommertag, den wir gemeinsam verbracht haben in Krakau. Wir sind durch die Straßen geschlendert", erinnert sich Hueck. "Zagajewski hat mir seine Stadt gezeigt, die Stadt, in der er studiert hatte, die er sich als junger Mann ausgesucht hatte, voll mit Träumen und Fantasien von Kunst und Kultur. Und was er dort auch eingelöst fand, damals in den 1950er-Jahren."

Zagajewskis Rückkehr nach Krakau

Beim Gang durch die Stadt habe ihm Zagajewski auch gezeigt, wo die Literaturnobelpreisträger Czesław Miłosz und Wisława Szymborska gewohnt hatten: "Das war eine Tradition, in der er sich sah, nicht nur eine dichterische Tradition, auch eine menschliche Tradition."
"Er war ein Beobachter der Stadt und ein Beobachter aller Dinge", sagt Hueck. "Er nahm alles auf und fing dann an, darüber zu philosophieren." Zagajewski sei ein engagierter Zeitgenosse gewesen: einer, der trotz historischer, politischer und menschlicher Katastrophen nicht zum Zyniker oder Nihilisten geworden sei – "sondern jemand, der darauf beharrt hat, den Blick für Schönheit und menschliche Werte nicht aufzugeben."

Im März 2015 hat Katrin Heise in unserer Sendung "Im Gespräch" ausführlich mit Adam Zagajewski gesprochen.

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"Er hatte eine Phase in den 1980er-Jahren, in der er sich auch politisch engagiert hat", erläutert Hueck, dann wandte er sich aber wieder davon ab. "Dichter sollen gute Gedichte schreiben, die müssen nicht unbedingt über das Politische sprechen", habe Zagajewski selbst gesagt.

Dichtung - eine Frage der Loyalität

Zagajewski sei es um die Poesie gegangen, er habe sich in der humanistischen Tradition gesehen, betont Hueck. Zagajewski selbst drückte es so aus: "Ein Dichter zu sein ist eine Sache der Loyalität, einer gewissen Konsequenz auch. Und von Geduld und Langsamkeit."
Zagajewski äußere sich selbst in seinen Gedichten, und nicht sein lyrisches Ich, so Hueck: "Es ist immer der Dichter selbst, der sich in Verbindung setzt zum Menschen, zu Orten, zu Ereignissen und eben auch zu der kulturellen Tradition, zu Werken der Literatur, der bildenden Kunst, der Musik. Durch diesen persönlichen Blick und sein eigenes, emotionales und intellektuelles Erleben macht Zagajewski in seinen Gedichten die Welt in ihrer Komplexität erfahrbar."
(mfu)
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