Zum Tod des Sängers Bill Ramsey

Ein cooler Faxenmacher mit eigener Stimme

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Sänger Bill Ramsey (USA) bei der Generalprobe zum MDR Wunschkonzert in der Stadthalle Altenburg 2011.
Der Sänger und Entertainer Bill Ramsey, hier im Jahr 2011. © imago / Christian Schroedter
Von Sky Nonhoff · 05.07.2021
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Er war der vielleicht auffälligste Amerikaner im deutschen Wirtschaftswunderland der 1950er. Jahrzehntelang brachte er sein Publikum mit cleveren Schlagern zum Lachen und Tanzen: Mit 90 Jahren starb Bill Ramsey nun in seiner Wahlheimat Hamburg.
Auf den Krieg in Korea wollte er tunlichst verzichten. Weshalb sich William McCreery Ramsey, 21 Jahre alt, freiwillig zur US Air Force meldete – ein kluger Schachzug, weil man so die Front umgehen konnte. Und kurz darauf wird der Sohn eines Procter-&-Gamble-Werbemanagers auf die Rhein-Main-Airbase der amerikanischen Luftwaffe in Frankfurt abkommandiert.
Auf einem Foto von 1952 kann man Corporal Ramsey sehen: Ein adrett uniformierter Jungmann mit wenig vorteilhafter Army-Frisur, in dessen Blick sich ein mühsam unterdrücktes Flackern zu spiegeln scheint.
Mal abgesehen davon, dass Bill Ramsey klingt wie eine Mischung aus Shoutern wie Louis Jordan und Wynonie Harris, lässt sein Timbre nicht den geringsten Zweifel an dem, was da an dienstfreien Abenden auf der Bühne steht: 90 geballte Kilo Rampensau.

Schwung für die Bundesrepublik der 50er-Jahre

Und zwar im Domicile du Jazz in der Kleinen Bockenheimer Straße, auch kurz Jazzkeller genannt, wo das immer noch halb in Schutt und Asche liegende Nachkriegsdeutschland endlich wieder Schwung und Rhythmus bekommt.
Dort fängt alles an: "Einer der Stammkunden war Heinz Gietz, ein Pianist und vor allem Bigband-Arrangeur, der später der allergrößte Produzent war in Deutschland", erzählte Bill Ramsey.
"Er hat mich gefragt: ‚Willst du eine Platte machen?‘ Und ich war damals Student und ziemlich kurz bei Kasse und habe gesagt: ‚Ja!‘ Und er fragte: ‚Willst du Rock 'n' Roll machen oder was Lustiges?‘ Und ich habe gesagt: ‚Was Lustiges‘."
Der Komponist Heinz Gietz schleudert – etwa für Caterina Valente oder Peter Alexander – deutsche Popgeschichte nur so aus dem Ärmel.
Das wird er ab jetzt auch für Bill Ramsey tun – gemeinsam mit dem kongenial-cleveren Texter Kurt Feltz, der "Hüftendrehen" auf "fotogen" reimt und sublim pointierten Quatsch ebenso leichthändig wie gekonnt aus dem Handgelenk zaubert: angefangen mit "Souvenirs", 1959 Bill Ramseys erster Nummer-eins-Hit mit mehr als einer halben Million verkauften Einheiten.
Und jetzt geht es Schlag auf Schlag: mit dem "Wumba-Tumba-Schokoladeneisverkäufer", der "Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe", "Pigalle (Das ist die große Mausefalle mitten in Paris") und selbstredend "Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett" – Songs mit einem Witz, einer Chuzpe und einer Ironie, die man der Homburg-steifen Adenauer-Ära im Nachhinein gar nicht so recht zutrauen will.

Trotz Karo-Jacketts stets unspießig

Nebenbei wird Ramsey, dem das Neinsagen offenbar nicht ganz leicht fällt, in drittklassigen Schlagerfilmen und Klamotten verheizt, in denen er so gut wie immer den unbedarften, wenn auch durchaus schlagfertigen Dicken geben muss.
In dem, nun ja, Lustspiel "Die tollen Tanten" antwortet er einer jungen Dame, von ihr als "molliger Basszupfer" tituliert, in breitestem Ohio-Hessisch: "Mollig, aber oho!"
Und daran gibt es nichts zu rütteln. Wahrscheinlich war Bill Ramsey der einzige Interpret im Aktentaschenträgerland des Wirtschaftswunders, der trotz Karo-Jacketts stets unspießig und unpeinlich, integer und weltläufig blieb: Ein Monolith mit eigener Stimme, eigenem Duktus und eigener Nische, in der sich Coolness und die Narrenfreiheit des Faxenmachers zu leise spöttischer Subversion verbanden.
Er selbst hat es nie verwunden, dass seine Wurzeln in Jazz und Blues – trotz Kooperationen mit Größen wie Paul Kuhn oder Toots Thielemans – kaum breitere Wertschätzung erfuhren. Wobei Bill Ramsey sich womöglich ein Stück weit darüber hinwegtäuschte, dass echter Witz eine dem Jazz mindestens ebenbürtige Königsdisziplin ist – und auch die eine oder andere Blue Note hat.

Verkleidete Tragödie

Und wenn man 60 Jahre zurückgeht und in Bill Ramseys größtem Hit hört, was es mit Mimi und den Krimis auf sich hat, mit der deutschen Lust an Mordgeschichten und sexueller Frustration, kann man daraus vielleicht dieses lernen: dass die menschliche Komödie nur eine verkleidete Tragödie ist.

Der Literaturwissenschaftler und Autor Rainer Moritz hat sich mit der Geschichte des Schlagers beschäftigt. Im Gespräch ordnet er Bill Ramsey und seine Texte in den Kontext der 1950er-Jahre ein und sagt, warum man ihn auch heute noch hören kann: "Er hat es zum Glück immer mit etwas Ironie vorgetragen." (AUDIO)

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