Zum Tod des Popjournalisten Andreas Banaski

Er hat alle niedergemacht

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Ausgaben der Popzeitschrift "Sounds" von 1982 liegen nebeneinander.
"Kid P. war in Berlin" titelte die Juni-Ausgabe der Zeitschrift "Sounds" 1982: Wen Andreas Banaski, der Fotokameras gerne mied, hier wohl verrissen hat? © Detlef Diederichsen / privat
Detlef Diederichsen im Gespräch mit Gesa Ufer · 25.06.2021
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Als einer der ersten brachte er die Kunst des Verrisses in den Popjournalismus: Jetzt ist Andreas Banaski, Autor der Popzeitschrift „Sounds“ gestorben. Mit seinem Stil hätte er es in der Ära der Shitstorms schwer, sagt Weggefährte Detlef Diederichsen.
Dass in den Feuilletons der großen Zeitungen über Bands, Comics und Undergroundfilme geschrieben wird, war Anfang der 80er-Jahre noch nicht denkbar. Die Auseinandersetzung mit Pop und Politik, Mode und Film fand damals noch woanders statt. Einer, der heute fast vergessen ist, hat sie damals geprägt: Popjournalist Andreas Banaski.
Pointiert, polemisch und leidenschaftlich schrieb er seine Texte in der Hamburger Zeitschrift "Sounds" und später, seltener, auch in der Kölner Musikzeitschrift "Spex".

Dem Rockjournalismus "den Finger zeigen"

Ein Kollege und Weggefährte von ihm war Detlef Diederichsen, der heute den Bereich Musik, Tanz und Theater im Berliner "Haus der Kulturen der Welt" leitet. Sein Bruder Diederich Diederichsen hatte 1979 die Zeitschrift "Sounds" übernommen. Mit Punk und New Wave brach damals eine neue Zeit in der Musik an – ebenso wie für die Zeitschrift.
Diederich Diederichsen habe nach neuen Autorinnen und Autoren gesucht, die dem bisherigen "Rockjournalismus den Finger zeigten", erinnert sich Detlef Diederichsen. Im biederen Rockjournalismus sei es bis dahin darum gegangen, wer die besten Gitarrensoli spiele oder eine Reibeisenstimme habe – "diese ganzen Klischees".

Lauter "Idioten und Schwachköpfe"

Die neuen Autorinnen und Autoren seien dagegen sehr vom englischen Popjournalismus beeinflusst gewesen. Banaski war einer von ihnen, ehemaliger Punk, Spitzname Kid P. Er sei zunächst durch "extreme Beschimpfungen und Ruppigkeiten" aufgefallen, sagt Detlef Diederichsen. Seine ersten in Sounds veröffentlichten Texte waren Leserbriefe, in denen er Leute als "Idioten und Schwachköpfe" beleidigt habe, die keine Ahnung hätten.

Später schrieb er als Autor für das Magazin: "Er war eine extrem kontroverse Figur. Die Leute lagen ihm entweder zu Füßen oder hassten ihn, weil er an nichts, was bis dahin heilig war, ein gutes Haar ließ – speziell was die deutsche Szene anging. Da wurde jeder Einzelne runtergemacht und niedergemacht."

"Die deutsche Jugend ist dumm"

In einem Text über die Neue Deutsche Welle liest sich das zum Beispiel so:
"Als es vor einigen Jahren mit der sogenannten Welle in Deutschland losging, glaubten doch tatsächlich einige Naive und Dumme (ich gehörte zu dem Dümmsten), daß jetzt etwas Bewegung und Spaß in ihr dummes und nutzloses Leben kommen würde. (…) Doch die deutsche Jugend ist dumm und schläft weiter. Und die neue deutsche Welle ist noch dümmer und arrogant und langweilig (alle neuen Spielzeuge sind langweilig, wenn du alle neuen Knöpfe ausprobiert hast. Und an der neuen deutsche Welle gab es wirklich sehr wenig neue Knöpfe.)" (Aus dem von Diederich Diederichsen herausgegeben Buch "Staccato: Musik und Leben", Akselrad, 1982)
In der heutigen Zeit der Shitstorms würde Banaski mit seinem Stil kaum mehr durchkommen, sagt Diederichsen: "Wer so schreibt und wer so Leute beleidigt, würde natürlich sofort Todesdrohungen aller Art bekommen und seine Adresse würde veröffentlicht."

Benimmregeln des Feuilletons

Zudem habe sich in den letzten Jahrzehnten eine andere Form der Auseinandersetzung etabliert: "Pop ist ja längst ein Feuilleton-Thema. Und da hat man, auch was den Tonfall angeht, bestimmte Benimmregeln einzuhalten."
Das gehe allerdings auf Kosten der "unmittelbaren emotionalen Schreibweise", sagt Diederichsen. Früher hätte es noch eine "Kunst des Verrisses" gegeben: "Man hat völlig unbekümmert Sachen niedergemacht – und hatte dabei ja teilweise auch durchaus recht. Es gibt ja viel Mist."

Jetzt zählten die Argumente

Natürlich sei man dabei über die Stränge geschlagen, habe viele andere Dinge aber auch in den Himmel gelobt. Aber es sei auf die Argumente angekommen. Banaski und die Zeitschrift "Sounds" hätten so "eine neue Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit Popmusik" nach Deutschland gebracht, sagt Diederichsen.
Andreas Banaski ist am Mittwoch im Alter von 63 Jahren gestorben.
(sed)
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