Zum Tod des Komponisten Georg Katzer

Geschlagene Zeit

56:31 Minuten
Der Komponist sitzt an einem Schreibtisch mit Notenblatt und kleiner Trommel, die er antippt.
Katzer bei der Arbeit: Seine Leidenschaft galt der Kommunikation zwischen Musikern und Publikum. © Georg Katzer / Angelika Katzer
Von Thomas Groetz · 09.05.2019
Die Musiksprache des Berliner Komponisten Georg Katzer war auf vielfältige Weise ironisch gebrochen. Ihn interessierten die Scharnierstellen im musikalischen wie im gesellschaftspolitischen Gefüge. Am 7. Mai ist er in Berlin gestorben.
"Ich glaube, man muss es verstehen, außerhalb der überlieferten Aufführungsstätten der Musik neue Wege zu gehen", hat Georg Katzer einmal gesagt. Ein Gedanke, der sein gesamtes Schaffen berührte.
1935 in Schlesien geboren, lebte er seit 1963 als freischaffender Komponist in Ost-Berlin und leitete ab 1986 das von ihm gegründete Studio für Experimentelle Musik an der Akademie der Künste.

Katzers Thema war Kommunikation

Seine musikalischen Vorstellungen folgten weniger strukturellen Ambitionen, vielmehr war er auf den Kontakt und Kommunikation zwischen Musikern und Publikum bedacht. Hier experimentierte er - inspiriert von theatralischen und elektronischen Mitteln - mit neuen Klangtechniken und Spielformen.
1997 realisierte er im Auftrag von DeutschlandRadio Berlin ein radiophonisches Hörstück mit dem Titel De natura hominis. Es bezieht sich auf den französischen Autor, Arzt und Philosoph Julien Offray de La Mettrie, mit dessen Figur sich der Komponist schon mehrfach musikalisch auseinandergesetzt hatte.
Nun entstand ein Hörstück, das - wie Katzer selbst sagte - irgendwo zwischen Hörspiel und Musikstück angesiedelt war. Katzer erzählte darüber:
"La Mettrie hatte beim Sezieren die Seele nicht gefunden und dachte sich den Menschen als eine komplizierte Maschine: In dieser Ansicht des französischen Autors verkörpert sich das auf den Menschen bezogene materialistisch-mechanistische Weltbild der Aufklärung. La Mettrie musste aufgrund des in Leiden erschienenen Buches 'L’homme machine' aus den Niederlanden emigrieren. Er traf 1748 am preußischen Hof ein, wo er Vorleser und Leibarzt von Friedrich II wurde."

Geklont und von außen gesteuert

"Mag man heute La Mettrie für einen verstiegenen Denker halten. Er war es aber, gemessen an seinem 18. Jahrhundert, nicht. Aus jetziger Sicht gibt es, wenn man nicht gleich an den geklonten und von außen steuerbaren Homunculus denken will, noch den anderen, für jeden Zeitgenossen erfahrbaren Aspekt der Durchdringung seines Lebens mit Technik, die ihn in absehbarerer Zukunft zum bloßen Sensor seiner Automaten degradieren könnte. Die Idee vom Menschen als Automaten ist Traum und Trauma zugleich."
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