Zum Tod des Fußballtrainers Andreas Steinhoff

"Ich bin immer wieder aufgestanden"

Andreas Steinhoff sitzt an einem Tisch, an der Wand hinter ihm hängt ein Banner seines Vereins
Im Alter von 56 Jahren gestorben: Andreas Steinhoff © Frank Schulz
Von Alexa Hennings · 20.01.2019
Unsere Reporterin Alexa Hennings begleitete seit Jahren den Langzeitarbeitslosen und ehrenamtlichen Fußballtrainer Andreas Steinhoff. Er war einer jener Menschen, über deren Leben sonst kaum kaum berichtet wird. Nun ist er gestorben - ein Nachruf.
So kannte man Andreas Steinhoff in Parchim: Ein hagerer, mittelgroßer Mann Im blauen Trainingsanzug mit der Aufschrift "Parchimer Fußballklub", inmitten von Kindern auf dem Rasen.
"...So jonglieren! Braucht ihr nicht laufen, könnt ihr Luft holen. Wer das so noch nicht packt, links, rechts prallen lassen bitte. Die Mädchen machen euch das vor, guckt!...Bälle knallen..."
Zwei Nachwuchsmannschaften trainierte er selbst, für elf war er verantwortlich als Jugendchef seines Vereins. Dazu war Andreas Steinhoff noch Staffelleiter des Kreisfußballverbandes. Alles ehrenamtlich. Ohne einen Cent dafür zu bekommen. Der Sportplatz liegt in einem sozialen Brennpunkt der Stadt. Die meisten Kinder und Jugendlichen kommen aus schwierigen Verhältnissen. Andreas Steinhoff war einst selbst ein Heimkind, und so versuchte er, Kinder durch den Sport, die gemeinsame Anstrengung und die gemeinsame Freude Halt zu geben. So wie ihm der Sport sein Leben lang Halt gegeben hatte.

Leben und Leiden mit Hartz IV

"Wenn ich keinen Sport hätte jetzt in meiner Situation, dann würd’s mich nicht mehr geben. Das steht fest. Ich hab echt jeden Morgen zu tun um zu sagen: Junge, jetzt gehst du wieder raus, motiviert. Und das 365 Tage im Jahr. Weil, das ist die Verantwortung, die man noch hat für den Jugendbereich, für die Mannschaften, für den Kreisfußballverband. Das zieht mich wieder hoch."
Andreas Steinhoff gehörte zu jenen Menschen, die jahrelang von Hartz IV leben mussten. Er wusste aus eigener Erfahrung, was das bedeutet – für den Körper und für die Seele.
Andreas Steinhoff steht inmitten einer Gruppe junger Sportler
Trainer sein zu dürfen, motivierte Steinhoff© Frank Schulz
"Ich kann mich nicht gehen lassen. Funktioniert nicht. Ich sitze nicht 24 Stunden in meiner Wohnung. Ich muß unter Leute kommen, muß raus kommen. Sonst hätte ich keine Chance. Ich bin ja auch schon ein paar Mal abgestürzt in den 20 Jahren, weil nichts mehr ging. Aber ich bin halt wieder alleine aufgestanden."
Nach den ersten beiden Radio-Sendungen im "Nachspiel" erlebte Andreas Steinhoff Anerkennung und Mitgefühl: Ein Hörer aus Bayern unterstützte ihn - als Anerkennung für seine Trainertätigkeit - fortan finanziell, ein Parchimer sponserte ihm den monatlichen Frisörbesuch, Sportkameraden kümmerten sich darum, dass er eine bessere Wohnung bekam, die ihm das Amt immer verweigert hatte.

Ohne Diplom keinen bezahlten Trainerjob

Andreas Steinhoff, der einzige lizensierte Übungsleiter beim Parchimer Fußballclub, hatte einen großen Traum, der jedoch nie in Erfüllung ging: Als Trainer angestellt zu werden. Eigenes Geld zu verdienen.
"Da ist die Bedingung Diplom. Jeder sagt, ich könnte das machen nach 20 Jahren Erfahrung. Da wird immer ein Diplom verlangt und dann geht es nicht. Aber ehrenamtlich kann ich alles machen. Komplett. Fragt kein Mensch nach!"
Lange kämpfte er um ein Projekt, bei dem Menschen, die lange Zeit arbeitslos waren, körperlich wieder fit werden sollten. Zwei Jahre lang leitete er ein solches Projekt, das vor allem von arbeitslosen Frauen besucht wurde. Steinhoff war fassungslos und traurig als er merkte, dass - bis auf einen Tischtennisverein - Betreiber von Sportstätten die Gruppe nicht in ihren Räumen trainieren lassen wollte.
"Die wollen dann wissen, wie das Projekt aussieht und wer da kommt, Und wenn man denen sagte, es kommen alles Hartz-IV-Leute, dann blocken sie gleich ab. Ohne die Menschen zu kennen. Die Gesellschaft ist so."

"Die Welt ein kleines Stückchen besser machen"

Die Gesellschaft ist so. Damit wollte sich Andreas Steinhoff nie abfinden. Ging ins Kinderheim, in die Schule, ins Asylbewerberheim, wenn er merkte, mit den Kindern stimmt was nicht. Drei Jahre lang, die letzten seines Lebens, war Andreas Steinhoff – neben seinem Ehrenamt als Fußballtrainer – Betreuer in einem Parchimer Kinder-, Jugend- und Familientreff - einer Reparaturstelle für gesellschaftliche Schäden aller Art. Bestätigung statt der oft erlebten Ablehnung, das wollte er mit seinen sportlichen Angeboten dort erreichen. Gabriele Liebenow, die Leiterin des Familientreffs, schätzt Andreas Steinhoff sehr. Schon lange bevor er die Stelle bekam, machte er ehrenamtlich mit.
Liebenow sagt: "Steinhoff ist immer sehr verlässlich und äußerst interessiert daran, sein Geld selbst zu verdienen. Das Geld nicht geschenkt zu bekommen, sondern dafür eine Leistung zu erbringen. Er ist stolz darauf, sinnvolle Arbeit zu leisten, weitere Trainingszeiten bei uns im Kraftraum abzusichern und damit die Möglichkeiten für junge Leute, denen es vielleicht auch nicht so gut geht, zu erweitern. Und durch seine Beständigkeit und seinen Fleiß ihnen auch ein gewisses Vorbild zu sein."
Die Stelle wurde jedoch nur für drei Jahre gefördert – so ist die Gesellschaft. Sie lief Ende 2018 aus. Andreas Steinhoff hatte versprochen, ehrenamtlich beim Familientreff weiterzumachen. Dazu ist es durch seinen Tod am 11. Januar nicht mehr gekommen. Michael Voß, einer seiner Kollegen, schreibt in einer E-Mail an den Deutschlandfunk über Andreas Steinhoff: "Sein Ziel war es immer, der Gesellschaft etwas zurückzugeben und die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen."
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