Zum Tod des Architekten Paulo Mendes da Rocha

Mit Licht und Beton prägte er das Gesicht von São Paulo

07:18 Minuten
Der brasilianische Architekt Paulo Mendes da Rocha bekam Zeit seines Lebens prestigeträchtige Preise, unter anderem 2016 den 28. Praemium Imperiale von der Japan Art Association.
Bauen mit einem Blick für die rauen Seiten Brasiliens: Paulo Mendes da Rocha (25.10.1928 - 23.5.2021) © dpa / picture alliance / Ana Ottoni
Nikolaus Bernau im Gespräch mit Britta Bürger · 25.05.2021
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Der brasilianische Architekt Paulo Mendes da Rocha stand mit seinen Bauten für das andere Brasilien: das raue und hart arbeitende São Paulo, fernab vom schicken und traditionellen Rio de Janeiro. Mit 92 Jahren ist er nun gestorben.
Im Zentrum stand für ihn fast immer die Frage: Wie baue ich Gebäude für die gesamte Gesellschaft? Zeit seines Lebens habe Paulo Mendes da Rocha sozialdemokratische und sozialistische Prinzipien in seine Arbeit eingebracht, sagt der Architekturkritiker Nikolaus Bernau. Am 23. Mai ist der brasilianische Architekt in São Paulo gestorben.

Interkulturelle Utopie

Bernau sieht in Mendes da Rochas Werk die große brasilianische Utopie der 1950er-Jahre, verwirklicht: ein Zusammenleben von verschiedenen Ethnien, Menschen unterschiedlichster Hautfarben und kultureller Hintergründe.
Mendes da Rochas Architektur sei rau - mit Sichtbeton, groben Oberflächen und einer dramatischen Inszenierung von Licht - und habe den Anspruch, so wenig Erde zu bebauen wie möglich, so Bernau. Die Härte, die darin zum Ausdruck komme, sei auch ein Grund dafür gewesen, dass Mendes da Rocha immer im Schatten eines anderen Stararchitekten stand: "Er war nicht elegant in dem Sinne und hatte nicht diesen Sex wie bei Oscar Niemeyer."

Brasilien von seiner rauen Seite

Die westliche Welt erinnere sich bei brasilianischer Architektur an die Pavillons auf der Weltausstellung in New York oder an die Parlamentsbauten in der Hauptstadt Brasilia - beide Werke stammen von Niemeyer.
Mendes da Rocha habe hingegen "das arbeitende Brasilien" vertreten, das sich vor allem in São Paulo symbolisch zeige. Die Wirtschaftsmetropole sei der Ort, an dem der brasilianische Kaffeehandel begonnen habe, wo sich die Industrie angesiedelt habe und Millionen von Menschen zugezogen seien, um Arbeit zu finden, sagt Bernau. "Mendes da Rocha stand immer für das sehr viel rauere Brasilien, das aber in der westlichen Welt gar nicht so populär war."

Späte Anerkennung

Und obwohl er im Schatten von Niemeyer gestanden habe, seien ihm die wichtigsten Architekturpreise der Welt zuerkannt worden, darunter 2006 der Pritzker-Preis, 2016 der Praemium Imperiale des japanischen Kaiserhauses und der Goldene Löwe auf der Architekturbiennale in Venedig und schließlich 2017 die Goldmedaille des Royal Institute of British Architects.
Mendes da Rocha habe erst spät Anerkennung für seine Werke bekommen, so Bernau. Nach und nach werde inzwischen erkannt, dass es eben nicht nur die eine Moderne gegeben habe, sondern "eine unglaubliche Vielfalt von Modernen". Außerdem lenke die aktuelle postkoloniale und antirassistische Debatte den Blick auf Architektinnen und Architekten, die sich nicht in den "International Style" einfügen wollten.
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