Zum Abschied die Kinderoper "Cinderella"

Von Friederike Haupt · 06.07.2007
Mit einer Kinderoper verabschiedet sich Intendant Klaus Schultz mit seinem Ensemble vom Gärtnerplatztheater in München. Damit geht eine Ära zu Ende, nun soll alles anders werden. Die Bayerische Staatregierung hat in einem umstrittenen Verfahren den bisherigen Augsburger Theaterchef Ulrich Peters zum Staatsintendanten gekürt.
Irgendwann in den kommenden Tagen fällt der letzte Vorhang der Ära Klaus Schultz im Gärtnerplatztheater - bis dahin aber wird noch gefeiert, getanzt gesungen... und geweint, auf der Bühne - und vor allem hinter der Bühne. Eine Ära geht zu Ende.

Es war eine gute, wenn man den Mitgliedern des Hauses glauben will. Es war eine mäßige, wenn man seinen Kritikern glauben will. Mehr als 40 Mitglieder müssen ihr Theater nun verlassen und mit ihnen geht Intendant Klaus Schultz. An sich nichts ungewöhnliches, Intendant wird man ja schließlich nicht auf Lebenszeit, aber dieser Wechsel, scheint es, ist besonders hart.

Seit 11 Spielzeiten regierte der sanfte Theaterpotentat im Gärtnerplatztheater. Vielen war er zu leise, zu verhalten. Der Bayerischen Staatsregierung aber offensichtlich immer noch zu innovativ. Denn, neben dem Sängerensemble muss auch das hauseigene "balletttheater münchen" nicht nur bluten sondern schließen, eine Modern Dance Companie, die sich in den letzten zehn Jahren am Gärtnerplatztheater etabliert hat, wird ganz einfach abgeschafft. Und durch ein moderateres Ballettensemble ersetzt.

Damit verliert München als Standort für Modern Dance deutlich an Farbe. Ein Skandal eigentlich. Aber das ist ja Hausmannskost: Made in Bavaria, wo künstlerische Qualität sehr leicht mal mit abgesichertem Prestige verwechselt wird. Hier kauft man Qualität ein, wenn ihr Ruf gesichert ist. Man lässt Neues nicht selbst kreieren.

Auch mit sogenannter Neuer Musik versuchte Schultz behutsam den Horizont des Gärtnerplatztheaters weiter zu öffnen: Mit den Altmeistern des zwanzigsten Jahrhunderts, mit Komponisten wie Nono und Schnebel verabschiedet man sich in dieser Spielzeit. Der Speiseplan wird etwas einseitiger ausfallen, künftig. Auch wenn bisher der Schwerpunkt des täglichen Spielplans immer noch auf Operette und leicht verdaulicher Oper lag. Klaus Schultz meint dazu:

"Aber so ganz so ausschließlich erfolgreich waren die Operetten gar nicht. Es gab auch Proteste, es gab Unwillen über manche Inszenierungen der Operette ... sondern sich dagegen wehrt."

Das ist schmerzhaft, denn das Gärtnerplatztheater hat eine belastete Geschichte, die gerade mit diesem Genre eng zusammenhängt. Zum führenden Operettentheater Deutschlands kürten es die Nazis, bereits 1932 hatte man alle jüdischen Mitarbeiter aus diesem Hause verdrängt. "Operette im Gärtnerplatztheater" verlangt also nach einem sehr bewussten Umgang mit der Geschichte.

Zum Abschied der Ära Schultz zeigte das Ensemble mit einem genialischen Operetten-Potourri von Klaus Guth dem Publikum die historische, und die derzeitige Facon dieses hübschen, kleinen, feinen und doch so schwierigen Hauses.

Schmerzhaft ist dieser Wechsel, auch wenn man sich vom scheidenden Theaterregenten Klaus Schultz noch viel mehr Mut gewünscht hätte noch viel mehr überraschende, passende und unpassende Farben im bayerischen Theaterreigen.

Immerhin verfügt das Gärtnerplatztheater über ebensoviel Etat, wie die Komische Oper in Berlin: 29 Millionen Euro pro Jahr sind das, und es verfügt über einen ähnlichen Platz, neben der großen Oper, mit dem Auftrag, Musiktheater auf breiter Ebene zu produzieren. Väterlich und bescheiden wirkt Klaus Schultz in seinen Abschiedestagen, es ist ihm nicht gelungen, den begonnenen Weg zu Ende zu führen. Die Ministeretage sah das etwas anders ...

Sehr umstritten ist die Wahl seines Nachfolgers, des bisherigen Augsburger Intendanten Ulrich Peters. Immer schneller dreht sich das Theater-Karusell, folgt Marketingstrategien und Marktgesetzen. Zum künstlerischen Gedeihen eines Ensembles allerdings braucht es Zeit und Geduld, vielleicht einer der Vorzüge des Intendanten Schultz:

"Das ist natürlich eine Hauptintention von mir gewesen, ein Ensemble zu schaffen, indem jeder jeden kennt in seine Stärken und Schwächen und dass sozusagen keiner ohne weiteres ersetzbar ist, sondern jeder... seine Farben und persönlichen Energien beiträgt. Und das ist im Ballett natürlich besonders stark zu beobachten weil es eine relativ übersichtliche Company ist und Philipp Taylor nicht nur einen Typus Tänzer im Auge hat, (als er die Company schuf,) sondern, dass es Individuen sind, dass jeder ein einzelner Mensch ist mit seinen besonderen körperlichen Vorzügen und seinem Ausdrucksvermögen."

Schöne Worte eines scheidenden Intendanten, doch sein Ensemble gibt ihm recht: Geschlossen stellten sie sich hinter Klaus Schultz, wollten ihn behalten, was heutzutage für einen Theaterregenten eher eine Seltenheit ist. Er weiß das.

Zum Abschied überlässt das bisherige Gärtnerplatztheater-Ensemble sein Haus mit allem Drum und Dran, mit großer Maske, Kostümen, Technik und Beleuchtung der Generation, die nicht morgen, aber übermorgen Theater machen wird. Eine bewusste Entscheidung ist das, aus diesen letzten Tagen das Beste herauszuholen:

"Es ist ja so, dass Schüler im Orchester und als Solisten auf der Bühne stehen und eine Regisseurin unseres Hauses das ganze auf der Bühne inszeniert, und das ist schon ein Programm, dass wir nicht künftige Abonnenten oder Sänger generieren wollen, wir wollen unbedingt vermitteln, das Erlebnis der Arbeit an einem Werk.

Das heißt das Schüler und Schülerinnen im Orchester und auf der Bühne spüren, was alles dafür nötig ist, um so ein Musiktheaterwerk zusammen zu bringen. (Das heißt aufzuführen, zu proben und dann entsprechend einem Publikum vorzustellen, )was da alles an Verabredungen, was da alles an Können, was an Respekt vor den Können der jeweils anderen nötig ist, um das eigene Können tatsächlich auch einzumischen, das sind alles sehr interessante zusätzliche Erfahrungen."

Aufregung hinter der Bühne kurz vor der Premiere von Cinderella:

"Ruhe bitte, ich mach den Vorhang auf, Katharina."

Nur Schüler, Fünft- bis Zehntklässler des Pestalozzi-Gymnasiums in München, spielen heute auf der Bühne und im Orchestergraben des Gärtnerplatztheaters. Sie proben für die morgige Premiere von Cinderella. Vorhang auf für eine neue Generation.