Zum 65. von Regisseur Nanni Moretti

Keine Scheu vor Tabuthemen

Die Schauspielerinnen Margherita Buy (v.l.) und Beatrice Mancini gemeinsam mit Regisseur Nanni Moretti, bei der Vorführung seines Film "Mia Madre" auf dem 68. Filmfestival in Cannes, Frankreich
Der Regisseur Nanni Moretti zusammen mit den Schauspielerinnen Margherita Buy (v.l.) und Beatrice Mancini © picture alliance / dpa/ Ian Langsdon
Von Lisa Weiß · 19.08.2018
Nanni Moretti gehört zu den wichtigsten Filmemachern Italiens. Er gilt als Chronist der Post-68er Generation und Erneuerer des italienischen Kinos. Jetzt feiert er seinen 65. Geburtstag.
"Wenn ich wirklich durch meine Filme eine Generation erklärt habe, bin ich sehr stolz und betrachte das, wenn es stimmt, als eine Ehre und auch eine Verantwortung", sagt Nanni Moretti und gibt sich bescheiden. Aber der Regisseur, Schauspieler und Produzent ist einer der großen Erneuerer des italienischen Films, einer derjenigen, die eine Chronik der Post-68er-Generation geschrieben haben.
Schon immer hatte Moretti, geboren in Südtirol und aufgewachsen in Rom, eine skurrile Leidenschaft für Wasserball. Und für alles rund um den Film, sagt Moretti und erzählt, wie ihn bereits direkt nach dem Abitur 1972 ein Freund nach seinen Studienplänen gefragt habe: "Ich wurde rot und sagte, ich wolle nicht studieren. Und er fragte, was willst du dann machen? Ich bin noch röter geworden und habe gesagt, ich will zum Film. Er hat wieder gefragt: Als Schauspieler oder als Regisseur? Und ich, noch röter: Beides."

Goldener Löwe 1981 in Venedig

Aber Moretti studierte erst mal doch, schrieb sich in Bologna für den damals visionären Studiengang DAMS ein, der Tanz, Musik, Kunst und Theater verbindet. Seine ersten Kurzfilme drehte er selbst, mit einer Super-8-Kamera, sein erster Spielfilm "Ich bin ein Autarkist", ein autobiographisch geprägter Film, wurde auf mehreren Festivals gezeigt und lief im italienischen Fernsehen. Seine nächsten Werke hatten immer größeren Erfolg: Mit "Goldene Träume" holte sich Moretti dann 1981 in Venedig den Goldenen Löwen.
Was alle diese Filme verbindet: Sie zeigen die Selbstzweifel, die Orientierungslosigkeit einer Generation, die fühlt, dass die Ideale der 68er Bewegung gescheitert sind. Wie in fast allen seiner Filme steht Moretti nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera – und kommt seinem Ideal des Schauspielers dabei meist ziemlich nah: "Mir gefallen die Schauspieler, die auf der einen Seite die Rolle gut verstehen, die auf der anderen Seite sich aber auch nicht selbst zu hundert Prozent verleugnen, wenn sie eine Rolle spielen. Mir gefallen die Schauspieler, die so ganz nebenbei auch ihre Persönlichkeit zeigen."
Sein im Episodenfilm "Liebes Tagebuch" wurde zur Liebeserklärung an Rom.
Sein Episodenfilm "Liebes Tagebuch" wurde zur Liebeserklärung an Rom.© dpa / picture alliance
Moretti zeigt seine Persönlichkeit auch im Episodenfilm "Liebes Tagebuch" aus dem Jahr 1993, der Fiktionales und Autobiographisches mischt und eine Art Liebeserklärung an Rom ist. Nanni Moretti spielt die Hauptrolle, fährt auf einer Vespa durch die Stadt, in einer anderen Episode thematisiert er auch seine überstandene Krebserkrankung. Auch die Geburt und die ersten Lebensmonate seines Sohnes Pietro verarbeitet Moretti, 1998, in seinem Film Aprile: "Einige Teile des Films sind gedreht worden, als mein Sohn Pietro erst gut einen Monat alt war. Und natürlich waren die Aufnahmen auch bestimmt von seinem Rhythmus: Seine Essenszeiten, seine Schlafenszeiten. Und dazwischen konnten wir drehen."

Abneigung gegen Berlusconi

Was in Aprile auch schon deutlich wird: Morettis Abneigung gegenüber Silvio Berlusconi. Ihm, seinen Skandalen und korrupten Machenschaften widmet er 2006 den Film "Der Italiener" - Moretti spielt Berlusconi. Das Ende des Films wirkt im Nachhinein prophetisch: Berlusconi wird verurteilt und kündigt an, als Ministerpräsident zurückzukehren – was ihm in der Realität auch gelingt. "Ich bin kein Prophet. Ich habe Berlusconi in meinem Film Dinge in den Mund gelegt, die er seit Jahren gesagt hat. Nur die Italiener, auch die Journalisten haben kein Gedächtnis und so haben sie sich nicht erinnert."
Eine typische Wiener Sachertorte
Die Wiener Sachertorte hat es Moretti so sehr angetan, dass seine Produktionsfirma nach ihr benannt ist.© picture alliance / dpa / Votave
Nanni Moretti, der in seinen Filmen gerne Personen zeigt, die nirgendwo richtig dazugehören, hat auch vor Tabuthemen keine Scheu: in Habemus Papam zeigt er, der sich selbst als nicht gläubig bezeichnet, das Scheitern eines überforderten Papstes. Und in Mia Madre verarbeitet er den Tod seiner Mutter. Jetzt wird Moretti 65, gefeiert wird vermutlich mit Sachertorte: Denn die liebt Nanni Moretti so sehr, dass er sogar seine Produktionsfirma nach ihr benannt hat. Und ein Programmkino: Das Nuovo Sacher in Rom.
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