Zum 500. Geburtstag von Petrus Canisius

Reformbereiter Gegner der Reformation

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Petrus Canisius als Jugendlehrer. Er war erster deutscher Jesuit, 1521-1597. Ein Relief von Canisius in Augsburg.
Petrus Canisius mit Schülern: Als Gegenstück zu Martin Luthers Katechismus verfasste der Jesuit drei Handbücher zur Vermittlung der katholischen Glaubenslehre. © picture alliance / akg images
Von Kirsten Serup-Bilfeldt · 02.05.2021
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Am 8. Mai 1521 wurde Petrus Canisius als Peter Kanijs in Nimwegen geboren. Bekannt wurde der Theologe als Repräsentant der Gegenreformation. Dabei war der Reformationsgegner selbst ein Reformer.
Ein Stück aus dem Tollhaus? Ja, zweifellos! Davon ist jedenfalls das Kölner Domkapitel ebenso überzeugt wie die gelehrten Doctores der Universität. Einig ist man sich in der Vermutung, der Kölner Erzbischof Hermann von Wied müsse den Verstand verloren haben.

Köln als Hotspot der Reformation? Unerhört!

Versucht er doch seit geraumer Zeit, in der Stadt die Reformation einzuführen. Nicht in irgendeiner Reichsstadt, sondern im alten Heiligen Köln. Im Hohen Dom dürften sich die Heiligen Drei Könige im Grabe, nein, in ihrem goldenen Schrein umgedreht haben. Der Historiker Joachim Oepen:
"Hermann von Wied war seit 1515 im Amt als Kölner Erzbischof und Kurfürst, also kurz vor der Reformation. Zunächst gingen von ihm keinerlei Reformimpulse aus. Im Gegenteil: 1520 ließ Hermann von Wied die Schriften von Martin Luther verbrennen. Das ist insofern sehr markant, weil das die erste Verbrennung der Schriften von Martin Luther war. Es ist bis heute nicht so richtig klar und schlüssig, warum Hermann von Wied nun in den 1540er-Jahren eine Motivation entwickelt, in seinem Land evangelisches Gedankengut zu verbreiten."
Als der Erzbischof dann auch noch zwei namhafte Vertreter dieses Gedankenguts, nämlich Philipp Melanchthon und Martin Bucer nach Köln einlädt, ist das Maß voll, so Oepen:
"In Köln waren sowohl das Domkapitel, das immerhin das Wahlgremium des Erzbischofs ist, aber auch die Kölner Universität Horte der alten Kirche. Da gab es einen ganz entschlossenen Widerstand, auch inhaltlich."
Also sinnt man auf Abhilfe. Die hat man schließlich in der eigenen Stadt. In Gestalt eines Mannes, der die Religiosität eines bodenständigen, glaubensstarken und ungebrochenen Katholizismus verkörpert.

Ein Jesuit als Bollwerk gegen Luther

Diese katholische "Allzweckwaffe" heißt Petrus Canisius, ist erst kürzlich nach Köln gekommen und dort der ersten deutschen Niederlassung der "Societas Jesu" beigetreten. Wer also würde sich besser eignen, dem Ansturm des Protestantismus entgegenzutreten, als dieser unerschütterlich-fromme Jesuit?
"Seine authentische Art, seine Radikalität im Einsatz für Christus und die Kirche inspiriert die Zeitgenossen und die Nachwelt", sagt der Kirchenhistoriker und Jesuit Niccolo Steiner. "Seine Loyalität gehört, wenngleich nicht immer ganz unkritisch, dem römischen Bischof und den rechtmäßigen Autoritäten. Es wundert daher nicht, dass bereits seine Zeitgenossen ihn mit Bonifatius, dem Apostel Deutschlands, verglichen und ihn Apostel von ganz Deutschland nannten. Ein Titel, der eine gewisse antiprotestantische Schlagseite und Konnotation nicht verleugnen kann."
Der Heilige Petrus Canisius, Stahlstich um 1900.
Der Glaube galt ihm als "Grundfeste der Seligkeit": Petrus Canisius im Gebet, dargestellt auf einem Stahlstich um 1900.© picture alliance / imagebroker
Folglich schickt die Kölner Geistlichkeit Petrus Canisius 1545 zum Reichstag nach Worms, um dort Kaiser Karl V. zu drängen, den Kölner Erzbischof seines Amtes zu entheben. Mit Erfolg. 1546 wird Hermann von Wied abgesetzt und exkommuniziert:
"Das erste öffentliche Auftreten eines deutschen Jesuiten war die Absetzung eines Kölner Erzbischofs. Politischer ging es damals nicht", sagt Steiner.

Steile Karriere im Namen des Herrn

Mit dieser Intervention rettet Petrus Canisius das Rheinland für den alten Glauben. Der 1521 als Peter Kanijs geborene Sohn des Bürgermeisters von Nimwegen studiert Theologie und Philosophie und entscheidet sich bald darauf für den Eintritt in den Jesuitenorden, der nur wenige Jahre zuvor von dem baskischen Adligen Ignatius von Loyola gegründet worden ist, wie Niccolo Steiner erklärt:
"1543 lernte er den Jesuiten Peter Faber kennen, bei dem er die 30-tägigen 'Geistlichen Übungen' des Ignatius von Loyola macht, an deren Ende er dem neuen Orden am 8. Mai 1545, seinem 22. Geburtstag, beitritt."
Und damit zum ersten Jesuiten auf deutschem Boden wird. Ihm gelingt eine schnelle und steile Karriere. Seine Rolle bei der Amtsenthebung des Kölner Erzbischofs bahnt ihm den Weg in zahlreiche kirchliche und politische Ämter, so Steiner:
"Es folgen Tätigkeiten auf dem Konzil von Trient und auf diversen Reichstagen. Er wird Berater der Bayernherzöge, des Kaisers und des Papstes in den folgenden Jahrzehnten. Der erste Provinzial seines Ordens im Reich gründet Kollegien, lehrt Theologie in Ingolstadt und reformiert als Direktor die dortige Universität. Er ist Domprediger in Augsburg und an anderen deutschen Kathedralen, verwaltet das Bistum Wien 1554, 1555, das zu übernehmen er von Kaiser und Papst gedrängt wird."

Kein Scharfmacher, sondern gesprächsbereit

Petrus Canisius wird zum wichtigsten Vertreter einer religiösen und kirchenpolitischen Bewegung in Deutschland: der Gegenreformation. Es ist die Reaktion der römischen Kirche auf die von Martin Luther ausgelöste Reformation, die katholische Antwort auf den Siegeszug des Protestantismus in einem Land, in dem die Lage der katholischen Welt nach der Glaubensspaltung weitgehend hoffnungslos scheint. Denn mit dem Übertritt zur Reformation und der Lösung von Rom wittern die Reichsfürsten ihre Chance, zu Herren eigener Landeskirchen auf ihrem Territorium zu werden.
Petrus Canisius schreibt und predigt gegen die Reformation, aber er tritt für eine Reform der Kirche ein. Dabei ist er kein Scharfmacher und wohl auch nicht ein "Hammer der Ketzer", wie Papst Pius XI. ihn einmal genannt hat.
Nein, dieser überzeugte Jesuit sucht durchaus das Gespräch mit den Reformatoren, setzt sich mit ihren theologischen Ansichten auseinander. Wie sie kämpft auch er gegen die Verweltlichung der Kirche, wie sie setzt auch er sich für eine Verbesserung der religiösen Ausbildung - auch des Klerus – ein. Joachim Oepen erläutert:
"Gerade im 16. Jahrhundert waren die einzelnen Amtsinhaber weder theologisch-intellektuell noch spirituell und oft auch nicht charakterlich diesen ganzen komplexen Vorgängen dieser Reformationszeit gewachsen."

Ein Licht der Seele, eine Tür des Lebens

Entschlossen versucht sich Canisius an der Aufgabe, durch eine "Re-Formatio" die vorherrschende "De-Formatio" der Kirche zu überwinden. Dennoch unterscheiden sich die Konsequenzen, die er aus den kirchlichen Missständen zieht, durchaus von denen der Reformatoren. Nie zweifelt er daran, dass die römische Kirche mit ihrer Theologie und ihren hierarchischen Strukturen gottgewollt sei.
Da die römische Kirche nichts anzubieten hat, was dem Katechismus Martin Luthers ebenbürtig wäre, schreibt Canisius gleich drei Katechismen: einen großen für Gymnasiasten und Studenten, einen mittleren für die Schüler der Lateinschulen und einen kleinen für das das einfache Volk. In allen dreien verdeutlicht er die katholische Glaubenslehre didaktisch geschickt im Wechsel von knappen Fragen und ebenso knappen Antworten.
Eine dieser Antworten mag als sein Lebensmotto gelten: "Was heißt und ist der Glaube? Er ist ein Licht der Seele. Eine Tür des Lebens, eine Grundfeste der Seligkeit und eine große Gabe Gottes, dadurch der Mensch erleuchtet wird."
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