Zukunft des Kinos

Von Bernd Sobolla · 14.02.2010
Auf der Berlinale geht es auch um die Zukunft des Kinos - zum Beispiel in den sogenannten Keynotes. Zu Gast war dort nun der englische Stararchitekt Sir Norman Foster.
Norman Foster: "Das Kino hatte einen symbolischen Glanz. Es war eine Art außergewöhnlicher Welt, in einer sonst grauen, gewöhnlichen Welt. Das größte Kino in Manchester war das Rigo, das 1937 im Art Deco Stil gebaut wurde. Es hatte Platz für 1000 Leute.

Und ich erinnere mich, wie uns der Manager in Abendgarderobe begrüßte, wenn wir durch die Tür kamen. Und die Filme bestanden damals aus zwei Teilen. Und diese Pause war sehr wichtig, für das Ritual, des Zusammenkommens."

Der britische Stararchitekt Norman Foster erinnert sich an seine Kindheit in einem Arbeiterbezirk von Manchester, als der Manager die Besucher noch persönlich begrüßte und Platzanweiser die Leute zu ihren Sitzen führten. Doch diese Ausführungen waren nicht gedacht, um in Nostalgie zu verfallen. Vielmehr stand sein Vortrag unter dem Motto "Zurück in die Zukunft".

Denn Foster glaubt, dass das Zusammenkommen, das gemeinsame Erleben heute wieder sehr wichtig für die Menschen ist, und Rituale können dabei helfen, das Kino zu positionieren. Außergewöhnliche Gebäude, an ganz gewöhnlichen Orten, ist sein Credo. Positionieren im wörtlichen Sinne heißt für Foster aber auch, dass die Kinos am richtigen Ort stehen müssen. Und auch hier blickt er gezielt in die Vergangenheit.

"Und diese großartigen Gebäude dieser Zeit waren immer mit der Hauptstraße verbunden oder sie lagen an einem öffentlichen Platz. Sie waren fester Bestandteil der Urbanität. Es waren bedeutende Häuser, die ihren Teil zum Stadtbild beitrugen. Sie hatten in dieser von Arbeit geprägten Welt Kultsymbolcharakter."

Norman Foster zeigt keine Spur von Kulturpessimismus: Zwar gibt es heute die Möglichkeit, Filme auf Handys zu laden. Aber nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch erstrebenswert, geschweige denn genießbar. Erstaunlich einig waren sich die Redner auch darin, dass das Kino der Zukunft, ein Ort sein muss, an dem der Film nicht isoliert geschaut wird, sondern an dem die verschiedensten Künste zusammenfinden können. Unter diesem Aspekt gründete der Filmemacher, Verleiher und Produzent Marin Karmitz Mitte der 70er-Jahre die Kinogesellschaft MK2 in Paris.

Marin Karmitz: "Die Architektur der alten Kinosäle war aber nicht ausgerichtet darauf, die verschiedenen Künste miteinander zu verbinden. Ich entschloss mich also, einen Raum zu finden - einen kleinen, weil wir wenig Geld hatten - in einem bekannten Viertel, in dem es eigentlich kein Kino gab, sondern wo nur Pornos und Karate-Filme liefen, im Quartier La Bastille in Paris. In diesem Viertel wollte ich einen Ort schaffen für ein Kino einerseits, aber ebenso für eine Bücherei, für einen Ausstellungsraum usw. Also für einen kulturellen Raum, der über das Kino hinausgeht."

Und Marin Karmitz war erfolgreich. Im 19. Arrondissement, einem ziemlich heruntergekommen Bezirk, in dem sich nachts kaum jemand auf die Straße traute, kaufte MK2 ein Gebäude und baute es entsprechend um. Heute ist das Kino, im wahrsten Sinne ein Lichtblick. Allerdings dauerte es mehrere Jahre, bis sich das Filmtheater beziehungsweise das Kulturzentrum durchsetzte. Glaspaläste und bizarre Gebäude mit den verschiedensten geometrischen Formen zeigten alle Redner in ihren Vorträgen.

Der österreichische Architekt Wolf D. Prix zum Beispiel von der "Coop Himmelb(l)au" schuf in Dresden das Ufa Cinema, eine schräg liegende Glaskonstruktion, die sich völlig von den umliegenden Plattenbauten abhebt. Und im südkoreanischen Pusan baut er gerade einen gigantischen Kinokomplex für circa 6000 Besucher. Ob dieser – abgesehen von der Zeit des Filmfestivals dort – wirklich genutzt wird, weiß niemand.

Ohnehin wurde erstaunlich wenig über die ideale Größe von Kinos gesagt, obgleich es Studien gibt, die zeigen, dass Besucher Kinos mit mehr als fünf Sälen eher meiden. Übersichtlichkeit, sich ein wenig Zuhause zu fühlen, sind wichtige Kriterien, ins Kino zu gehen – oder eben nicht. Viele Kinos, die das in den letzten Jahren nicht boten, existieren heute nicht mehr.

Auch über Kosten wurde bei den Keynotes kaum geredet. Mag sein, dass sich Architekten in erster Linie für ihre Visionen interessieren. Aber nicht jeder Kinobetreiber kann sich Kinokomplexe leisten. Immerhin erzählte Norman Foster von seiner Erfahrung aus der Schweiz, wo er kürzlich kleine Kinos in einer Bergregion besuchte.

Norman Foster: "Und in drei verschiedenen Dörfern in verschiedenen Kantonen dieses kleinen Landes ist das Ritual noch immer sehr wichtig und ermutigend. Die Kinos dort sind fantastisch. Sie sind klein, die Leute stehen Schlange, die Filme werden beworben, und es gibt einen regelmäßigen Programmwechsel.

Und nach der Hälfte des Films geht das Licht an, und es gibt eine Pause. Aber nicht unbedingt für Popcorn. Es gibt tolle Diskussionen über den Film, die Leute vertiefen sich in ihre Gespräche. Dieses Ritual ist dort ganz lebendig."