Zukunft des Handels

Beim Shoppen zählt das Erlebnis

Kunden in einem Einkaufszentrum in Berlin.
Erlebniswelten werden beim Shoppen immer wichtiger, wie hier in einem Einkaufszentrum in Berlin. © picture alliance / dpa / Paul Zinken
Stefan Wolpert im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 07.10.2016
Die Zukunft gehört dem Erlebnis-Einkauf, sagt der Mitarbeiter des Nürnberger Fraunhofer-Instituts, Stefan Wolpert. Im dortigen Innovationslabor Josephs wird die Weiterentwicklung des Handels erforscht.
"Nutzer sind bereit, für ein Erlebnis auch mehr zu bezahlen", sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter des Nürnberger Fraunhofer-Instituts, Stefan Wolpert, im Deutschlandradio Kultur. Der Online-Handel werde deshalb den stationären Handel nicht ganz ersetzen könne. Eine Website könne nicht interessanter sein als ein Einkaufsbummel in der Innenstadt. Schon jetzt sei zu beobachten, dass auch Supermärkte und Discounter darauf setzten, das Einkaufen attraktiver zu gestalten und sich "aufzuhübschen".

Neue Chancen für den Tante Emma Laden

Wolpert erwartet, dass der Handel sich in zwei Richtungen entwickeln werde. "Das eine wird sein, dass wir große Vollsortimente haben, wo ich auch wirklich alles finde, wo ich drei verschiedene Zitronensorte finde", sagt der Handelsexperte. Andererseits würden auch die kleineren Läden im Stadtteil und in den Dörfern gestärkt, die ihren Service im Laden mit dem Online-Handel verknüpfen könnten.
Als Beispiel nannte Wolpert, dass ein Kunde im Tante Emma Laden dann besondere Zutaten oder eine spezielle Weinsorte außerhalb des Sortiments Online bestellen könne und dann im Geschäft abholen. "Das erleben wir auch, dass es jetzt immer öfter Dörfer gibt, die sich zusammenschließen und einen eigenen Dorfladen wieder gründen", sagte Wolpert zu der Entwicklung des Handels im ländlichen Raum. Dazu passe, dass Kunden schon heute statt der Tomate aus Spanien gerne wieder Produkte aus der Region kauften.
Das Fraunhofer Institut erprobt im Innovationslabor Josephs die neuesten Trends.
(gem)

Das Interview im Wortlaut:

Korbinian Frenzel: Eher Kaiser’s, eher Edeka oder Bio Company oder vielleicht doch Aldi oder gleich online – wie kaufen Sie eigentlich ein? Wie kaufen wir eigentlich ein heute und vor allem in der Zukunft? Das haben wir uns gefragt vor dem Hintergrund all der Querelen um Kaiser’s Tengelmann und Edeka. Sind die großen konzentrierten Ketten das Ende der Einkaufsgeschichte oder sind wir schon bald auf dem Sprung in eine andere Welt, in der sich das grundlegend ändern wird?
Stefan Wolpert forscht am Fraunhofer-Institut in Nürnberg über die Zukunft des Handels, und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch im Rahmen des Josephs, das ist eine Ladenfläche in Nürnberg, wo Unternehmen und Kunden neue Ideen ausprobieren. Herr Wolpert, guten Morgen!
Stefan Wolpert: Einen wunderschönen guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Sind Geschäfte mit Einkaufswagen, Regalen und den freundlichen Kassiererinnen an der Kasse sowieso ein Auslaufmodell, geht alles in Richtung online?
Wolpert: Nein, das auf keinen Fall. Es wird zwar in letzter Zeit, hört man immer öfter, dass der Onlinehandel den stationären Handel vielleicht sogar übernehmen könnte. Der Punkt ist aber, wenn wir darüber nachdenken, dass eine Webseite interessanter sein soll als ein kompletter Einkaufsbummel in der Innenstadt, dann sieht man schon, dass das nicht die Zukunft sein kann. Also es wird …
Frenzel: Da vielleicht nicht, also der schöne Einkaufsbummel, aber wenn man sich so überlegt, so die Supermarktreihen, gerade wenn es die eher billigen Supermärkte sind, so schön ist es da ja nicht, aber das heißt, da könnte sich was tun?
Wolpert: Da wird sich sicherlich auch was tun, auch weil Sie es gerade ansprechen, dass die Supermärkte nicht so schön sind, auch gerade da tut sich schon was. Die Supermärkte selbst haben festgestellt, dass – was wir auch festgestellt haben –, dass man sich weg von dem klassischen Supermarkt hin zu einer Erlebniseconomy bewegen muss, zu einem Erlebniseinkaufen. Nicht umsonst haben Sie mittlerweile die klassischen Supermärkte schön aufgehübscht, und es gibt jetzt auch Discounter, die anfangen, ihre Läden auch innen schön zu machen, die mit Werbung anfangen, also die auch bewusst ein Erlebnis verkaufen.

Nutzer ist bereit, mehr zu bezahlen

Frenzel: Haben Sie denn da Erfahrungen in Nürnberg gesammelt auf dieser Testfläche, auf diesem Josephs? Wie kommt denn das an, was sind denn die Dinge, die funktionieren?
Wolpert: Ja, das haben wir auch festgestellt, also Nutzer sind bereit, für ein Erlebnis auch tatsächlich mehr zu bezahlen. Wenn man sich mal anschaut, dieser Handel konkurriert ja nicht nur mit dem reinen Onlinehandel, er konkurriert ja auch um alle anderen Freizeitaktivitäten, er konkurriert um die Kletterhalle, er konkurriert auch mit dem Kino um die Ecke. Deswegen muss man da in eine Richtung gehen, in der ich auch ein Erlebnis verkaufen kann.
Der nächste große Punkt ist natürlich, bei verschiedenen Produkten habe ich eine Haptik, und da ist eine Haptik sehr, sehr wichtig. Das heißt, ich kann irgendwas anfassen, ich kann Materialitäten fühlen, ich kann möglicherweise auch bei Textilien gleich was anprobieren, und das ist ein Vorteil, den der stationäre Handel hat, den auch so schnell der Onlinehandel nicht übernehmen kann.
Frenzel: Es gibt ja verschiedene Trends: viele wollen Bio, andere dann wieder regional, dann gibt es für manche aus der blanken Not heraus, weil sie nicht genug haben, das Kriterium, dass es billig sein muss – können die Supermärkte das alles noch vereinen heutzutage oder erleben Sie – ich mache jetzt gerade mal eine Brücke – das, was die Volksparteien auch erleben, dass man diese breite Klammer gar nicht mehr hinkriegt, dass sich das immer weiter ausdifferenziert?
Wolpert: Es wird wahrscheinlich in zwei Richtungen gehen: Das eine wird sein, dass wir große Vollsortimente haben, wo ich auch wirklich alles finde, wo ich drei verschiedene Zitronensorten finde, und in die andere Richtung, in wieder kleinere Läden, die möglicherweise auch in den Stadtteilen, in den Quartieren verteilt werden. Das heißt, wir werden höchstwahrscheinlich auch wieder mehr kleinere Läden bekommen, die dann aber auch die Vorteile des Onlinehandels mit dem stationären Handel verknüpfen können.

Vorbestellen und mitnehmen

Frenzel: Wie sieht das aus, also der gute alte Tante-Emma-Laden dann mit iPads?
Wolpert: Nicht ganz, sondern Sie werden im Vorfeld Ihren Warenkorb schon online zusammenstellen können und dann diese Sachen … also wenn es irgendwas Besonderes ist, weil Sie jetzt eine bestimmte Flasche Wein brauchen für das Wochenende oder bestimmte Zutaten, die der Tante-Emma-Laden nicht hat, sondern der hat wahrscheinlich ein Sortiment von ca. 800 bis 1.000 Artikel, die ein täglicher Bedarf benötigt, und darüber hinaus können Sie aber online die Sachen vorbestellen und dann einfach mitnehmen.
Frenzel: Das klingt alles sehr spannend, das klingt alles interessant, aber es gibt ja Gründe dafür, dass zum Beispiel diese kleinen Läden eine ziemlich schwierige Phase hatten, wenn nicht gar ganz verschwunden sind in vielen Orten, weil sie schlicht und einfach zu teuer waren. All das, was Sie beschreiben – Erlebniswelt, das Haptische –, ist das letztendlich nur zu kriegen, wenn wir auch bereit sind, ein bisschen mehr zu bezahlen?
Wolpert: Jain. Wir werden durch immer geringere Logistikkosten auch die Möglichkeit haben, Sachen sehr schnell irgendwo hin zu bekommen, von dem her könnte der Preis nicht das zwingende Kriterium sein. Vor allem, wenn wir drüber nachdenken, dass wir jetzt nicht nur in den Städten, sondern auch in den ländlichen Raum gehen und dort auch andere Konzepte finden für Nahversorgung benötigen …

Dorfläden kommen wieder

Frenzel: Das heißt also, die Situation, die wir im ländlichen Raum erleben, dass da immer mehr Geschäfte zumachen, dass man immer weiter fahren muss, um einkaufen zu können, glauben Sie, dass sich dieser Trend noch mal umkehren wird?
Wolpert: Er wird sich zum Teil umkehren, das heißt, wir werden vielleicht eine Nahversorgung bekommen, die darüber hinaus … also wenn man jetzt wirklich in den ländlichen Rahmen reinschaut, habe ich ja öfters mal in kleinen Dörfern kein Zentrum mehr. Früher war das der Tante-Emma-Laden, und da war das der Marktplatz, und dass diese ganzen Zentren rausgegangen sind, das erleben wir auch, dass es immer öfters auch Dörfer gibt, die sich zusammenschließen und einen eigenen Dorfladen wieder gründen, und vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die Kunden mittlerweile auch wieder regional versorgt werden möchten mit Produkten aus der Region und jetzt nicht unbedingt mit der Biotomate aus Spanien, sondern tatsächlich mit der regionalen Tomate. Vor diesem Hintergrund wird es durchaus sein, dass wir kleinere Läden, die die Grundversorgung darstellen, auch wieder in den kleineren Städten bekommen.
Frenzel: Das sagt Stefan Wolpert vom Fraunhofer-Institut in Nürnberg. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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