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Flüchtlingspolitik
Merkel kämpft mit eigener Fraktion

Die Fronten in der Unionsfraktion sind verhärtet. Die "Wir schaffen das"-Politik von Bundeskanzlerin Merkel steht gegen die "Grenzen schließen"-Forderung von einer Reihe anderer Politiker von CDU und CSU. In der Fraktionssitzung am Dienstagabend wurde die Spaltung in der Union erneut deutlich.

14.10.2015
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Fraktionssitzung.
    Die Haltung von Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingskrise ist in ihrer Unionsfraktion umstritten. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Nach Angaben von Teilnehmern hat die Kanzlerin in der Runde der Abgeordneten von CDU und CSU noch einmal für ihre Position geworben. Zwar sprach sie sich demnach für Transitzentren an den deutschen Grenzen aus, aber eine Zurückweisung der Flüchtlinge aus Österreich lehnt sie weiter ab.
    So soll Merkel gesagt haben, dass es verheerende Folgen für alle Länder der Balkan-Route haben würde, wenn Deutschland Flüchtlinge abweise. Denn dann würden auch Österreich und Ungarn Flüchtlinge zurückweisen, was die Balkanländer letztendlich destabilisieren könne. Merkel kündigte an, sich bei ihrer Türkeireise dafür einzusetzen, dass Flüchtlinge dort aufgenommen würden. Das Land hat bisher schon mehr als zwei Millionen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge untergebracht.
    Aufgeheizte Stimmung in Fraktionssitzung
    Wie die Zeitung "Die Welt" in ihrer Online-Ausgabe berichtet, sei die Stimmung während der mehrstündigen Sitzung aufgeheizt gewesen. Merkel habe unter anderem die Frage gestellt: "Oder glaubt hier jemand ernsthaft, dass wir Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen können?" Daraufhin hätten gleich mehrere Abgeordnete spontan "Ja" gerufen und damit wiederum Applaus ausgelöst. Vor allem der Innenpolitiker Clemens Binninger soll in der Fraktion mehrmals daraufhingewiesen haben, dass er den Kurs der Kanzlerin für falsch hält. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach sich am Morgen im DLF für eine Sicherung der deutschen Grenzen aus. Dazu sei "am Anfang sicherlich ein großer Polizeieinsatz" nötig.
    Nach Angaben der Welt sind andere Unionspolitiker wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière oder Vize-Fraktionschef Thomas Strobl der Kanzlerin unterstützend zur Seite gesprungen. Strobl verteidigte Merkel auch am Morgen im ZDF: "Wir dürfen doch auch einmal in der Sache diskutieren, ohne dass man dann gleich die Kanzlerin infrage stellt." Die Fraktion stehe geschlossen hinter Merkel.
    Nach Medienberichten schätzt man fraktionsintern allerdings, dass mindestens ein Fünftel der Abgeordneten von CDU und CSU den Kurs der Kanzlerin nicht teilt.
    (pr/stfr)