Zoë Beck: "Die Lieferantin"

Auf den Brexit folgt der Druxit

Cover: "Die Lieferantin" von Zoë Beck, im Hintergrund: ein Drogenabhängiger spritzt sich eine Dosis.
"Die Lieferantin" - der neue Krimi von Zoë Beck. © Suhrkamp / imago/Mavericks
Von Kolja Mensing · 21.07.2017
Blick in eine düstere Zukunft: Nach dem Brexit verhärten sich die gesellschaftlichen Fronten in Großbritannien: Nationalisten versuchen, eine knallharte Drogenpolitik durchzusetzen - notfalls mit dem Baseballschläger. Zoë Becks politischer Kriminalroman ist packend erzählt - und beklemmend realistisch.
London ist in der Zukunft angekommen. Der Brexit ist durch, die Mieten steigen, und während die neue Bürgermeisterin sich vom sozialen Wohnungsbau verabschiedet, brennen in Brixton Mülltonnen, Autos und Vorgärten: Im Südosten von London liefern sich Regierungsgegner, Migranten und Hausbesetzer Straßenschlachten mit den so genannten Rotweißblauen, gewaltbereiten Mittelschichts-Nationalisten, die den Rechtskurs der Regierung mit dem Baseballschläger verteidigen – zu dem auch ein weiteres Referendum gehört: diesmal über eine knallharte Drogenpolitik. Nach dem "Druxit" sollen Abhängige in England zu Bürgern zweiter Klasse werden.

Gesellschaft auf dem Siedepunkt

Zoë Beck ist eine deutsche Autorin, die ihre Krimis gern London ansiedelt. Für ihren Post-Brexit-Thriller "Die Lieferantin" hat sie das Bild einer Stadt entworfen, in der die politisch-gesellschaftliche Betriebstemperatur den Siedepunkt erreicht hat. Dann passiert es: Kurz vor der geplanten Abstimmung über den Druxit taucht ein neuer Akteur in der Londoner Drogenszene auf, der als "TheSupplier" im Darknet erstklassiges Heroin anbietet und die Ware mit Hilfe von Drohnen ausliefern lässt.

Der High-Tech-Pusher macht zunächst die Führungsriege des organisierten Verbrechen nervös, die um ihre Absatzmärkte fürchtet, und dann auch die Politiker. Die "Lieferantin", die sich hinter dem Nickname "TheSupplier" verbirgt, ist nämlich eine Frau mit einer Mission: Mit dem Gewinn aus ihrem Geschäft unterstützt sie die Anti-Druxit-Kampagne.

Packend und souverän erzählt

"Die Lieferantin", das ist ein packender und souverän erzählter Großstadtthriller. Das Beste ist allerdings das Setting: Das Bild, das Zoë Beck von England im Jahr x nach dem Ausstieg aus der EU zeichnet, ist keine düstere Dystopie, sondern basiert auf ziemlich realistischen Annahmen. In diesem Roman gibt es nach dem Brexit Passkontrollen auch an der Grenze zu Schottland. Investoren aus China und Russland ziehen in die die leerstehenden Bürogebäude an der Themse ein, während die Fremdenfeindlichkeit überall im Land pathologische Züge annimmt und die Vertreter der rechtsautoritären Regierungspartei immer noch so agieren, als sei das Land ein "starker Partner im Wirtschaftsspiel und keine kleine Insel, die mit jedem Tag weiter absäuft".
Aus solchen eher bitteren Prognosen am Ende ein anständiges Stück Unterhaltungsliteratur zu machen – das ist die beunruhigende Kunst des politischen Kriminalromans.

Zoë Beck: Die Lieferantin
Suhrkamp, Berlin 2017
324 Seiten, 14,95 Euro

Hören Sie hier auch unser Gespräch mit Zoë Beck über ihren Roman:
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