Zitterpartie für Adoptiveltern

Kenia legt Auslandsadoptionen auf Eis

Mädchen in Mama Fatuma's Childrens Home im Stadtteil Eastleigh in Nairobi (Kenia), aufgenommen am 30.11.2007.
Mädchen in einem Waisenhaus in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. © picture-alliance / dpa / Sandra Gätke
Von Linda Staude · 18.02.2015
In Kenia leben rund zwei Millionen Kinder in Heimen. Weil Unfruchtbarkeit dort ein Tabu ist, sind Adoptiveltern für sie im Land schwer zu finden. Nun hat die Regierung auch die wenigen Vermittlungen ins Ausland gestoppt.
"Eine sehr verwirrende Situation, weil es bisher keine offizielle Verlautbarung gab. Wir haben lediglich Berichte in den beiden großen Tageszeitungen hier gesehen. Und die widersprechen sich auch noch."
Susan Otuoma leitet das Little Angels Network, die größte von vier kenianischen Agenturen, die Kinder für Auslandsadoptionen vermitteln. Noch verwirrender findet sie allerdings die Begründung der Regierung: Kampf gegen Kinderhandel. Kenia hat ein großes Problem damit, aber in den meisten Fällen im Inland. Kinder werden verschleppt und zum Arbeiten oder zur Prostitution gezwungen.
"Es hat eine Menge Propaganda gegeben über den Verkauf von Kindern. Dass Adoptivkinder gestohlen oder ihre Familien für die Einwilligung getäuscht wurden. Ich kann nur sagen, dass wir unseren Job ziemlich gründlich machen."
Adoptionen ins Ausland sind streng geregelt
Kenia hat strenge Regeln für Auslandsadoptionen, seit das Land vor gut zehn Jahren dem entsprechenden Internationalen Abkommen von Den Haag beigetreten ist. Sozialarbeiterin Anne Mwangi arbeitet für ein Heim, das Kinder auch ins Ausland vermittelt. Aus Angst vor Repressalien für das Kinderheim will sie ihren richtigen Namen ebenfalls nicht nennen:
"Adoptionen, die in Kenia genehmigt werden, sind durch gründliche Ermittlungen gegangen, weil jedes verlassene Kind bei der nächsten Polizeistation gemeldet werden muss. Immer! Und kein kenianisches Gericht genehmigt eine Adoption ohne polizeiliche Untersuchung."
Das heißt, ohne lange Fahndung nach den Eltern. Außerdem darf ein Kind erst ins Ausland vermittelt werden, wenn in Kenia keine passenden Adoptiveltern gefunden werden können. Das ist schwierig in einem Land, in dem Unfruchtbarkeit ein Tabu ist. Susan Otuoma:
"Selbst heutzutage gibt es einen großen Widerwillen dagegen. Wir haben viele Paare, die es heimlich tun müssen. Keiner in der Familie darf es wissen. Wir haben Paare, die eine Schwangerschaft vortäuschen. Da ist eine Menge Erziehung nötig, weil es ein großes Stigma bedeutet."
Die kenianischen Kinderheime sind voll
Rund zwei Millionen Kinder leben in Heimen in Kenia. Und viele haben keine Chance auf eine Adoption durch kenianische Eltern: Ältere Kinder, Jungs, Kinder mit Behinderung oder einer HIV-Infektion, sogenannte Tabu-Babys, die zum Beispiel durch Inzest gezeugt wurden. Anne Mwangi:
"Wir fördern es nicht, dass unsere Kinder ins Ausland gehen, weil wir wissen, dass es für sie eine Herausforderung ist, sich ihrer neuen Kultur anzupassen. Wir geben Babys nicht für internationale Adoptionen frei, weil es Spaß macht oder Geld bringt, sondern weil einige niemals Adoptiveltern hier im Land finden."
Eine offizielle Statistik gibt es nicht, aber Susan Otouma schätzt, dass nicht mehr als 100 Kinder pro Jahr ins Ausland vermittelt werden. Ein Prozess, der Jahre dauert und in dem jedes Dokument immer wieder überprüft wird.
Kenia gehört zu den Ländern, in denen legale Dokumente nicht ohne eine weitere Prüfung anerkannt werden. Susan Otuoma:
"Das ist verrückt, wenn ich das sagen darf. Das Misstrauen ist schwer zu verstehen, da alle Prozesse mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt werden. In keinem unserer Fälle wurde das Verfahren jemals gestoppt, aber es hat sehr lang gedauert. Das bedeutet große Unannehmlichkeiten für die Familien."
In Deutschland haben betroffene Eltern eine Petition an das Auswärtige Amt gestartet, um die monatelange Wartezeit, bis alle Dokumente noch einmal überprüft sind, zu verkürzen. Doch vorerst liegen weitere Adoptionen in Kenia erst einmal auf Eis – vermutlich aus politischen Gründen, sagen Kenner der Szene. Sie vermuten, dass die Regierung damit nach außen demonstriert, dass sie etwas gegen Menschenhandel tut und gleichzeitig die Gelegenheit nutzt, die Adoptionsagenturen nach ihren Wünschen umzuorganisieren. Die Leidtragenden sind die Kinder - und ihre zukünftigen Eltern
Mehr zum Thema