"Zipper" von Mora Stephens

Polit-Thriller um einen Sexsüchtigen

Der US-Schauspieler Patrick Wilson kommt am 27.5.2015 zur Premiere von "Zipper" beim 2015 Sundance Film Festival in Park City, Utah, USA.
Hauptdarsteller Patrick Wilson bei der Premiere von "Zipper" beim Sundance Film Festival 2015 © picture-alliance / dpa / George Frey
Von Hartwig Tegeler · 19.03.2016
Zynismus, Sexsucht und Karriereplanung: Ein moralisch hoch ambivalenter Anwalt und Politiker steht im Mittelpunkt des Thrillers "Zipper" von Mora Stephens. In der Hauptrolle des Films brilliert der US-Schauspieler Patrick Wilson. Ein DVD-Tipp von Hartwig Tegeler.
Vorweg eine klare Frage inklusive eines klaren Credos:
"Wieso denken Sie nur in der Kategorie von Gut und Böse." / "Weil es so ist!"
Weil es so ist! Der das sagt, ist Staatsanwalt mit heiler Familie, dem sehr bald im Laufe des Films "Zipper" von Mora Stephens eine politische Karriere nahe gelegt wird.
"Es wird allgemein angenommen, dass Bundesstaatsanwalt Sam Ellis demnächst einen weiteren Sprung in seiner Karriere machen wird."
Nach einer Feier in der Kanzlei landet Sam mit der Praktikantin in einem Hinterhof. Doch nach dem ersten Kuss macht Sam:
"Tut mir leid." / "Schon gut." / "Sie sind verheiratet."
Sam macht einen Rückzieher:
"Ich kann nur keiner von denen sein. Gute Nacht, Dahlia."

Die Dämonen sind geweckt

Gute Vorsätze, aber das Spiel mit dem Feuer, das Sam im Hinterhof anfachte, weckt Dämonen. Sam treibt es zu einem Escort-Service:
"Das erste Mal?!" / "Mag sein. Entschuldigung, ich ... weiß nicht, wie das abläuft."
Es wird nicht das erste Mal bleiben. Zwei Überraschungen hält "Zipper" für uns bereit. Zunächst erzählt Mora Stephens nicht vom Fall eines Erfolgreichen, sondern von dessen holprigem, aber nie wirklich infrage stehenden Aufstieg. Die zweite Überraschung aber liegt darin, dass Patrick Wilson als sexsüchtiger wie karrierebesessener Anwalt und Politiker in seiner Rolle überragend ist.
"Underacting" – "Unterspielen", so könnte man Patrick Wilsons Spielen beschreiben. Wilson, 1973 geboren, ist ein Schauspieler, der auf den ersten Blick wie ein Jedermann wirkt. Expressivität oder Method-acting-Furiosität ist nicht sein Markenzeichen. Eher hat man den Anschein von Normalität, fast Glätte.
Beispiel "Little Children" von 2006. Patrick Wilson spielt einen Hausmann, dem die Flucht mit Kate Winslet aus dem Albtraum der vergeblichen Kleinstadtidylle am Ende nicht gelingt. Dieser Brad, den Wilson spielt, ruht in sich, aber er wirkt auch antriebslos, ja, langweilig.
Dann, als Variante, die grandiose zweite Staffel der Miniserie "Fargo". Patrick Wilson zeigt wieder das lakonische, stoische in sich Ruhen wie in "Little Children". Immer der gleiche Ausdruck, denkt man, so wie aus der alten Garde Gary Cooper oder Robert Mitchum, die scheinbar nichts taten vor der Kamera, aber nachgerade unheimlich "wirkten" in ihrer Präsenz.

Lakonisch im Ausdruck

Der Provinzpolizist in "Fargo", dessen Frau an Krebs stirbt, ist allerdings nicht langweilig wie der Hausmann, sondern in der Lakonie seines Ausdrucks, diesem Stoischen, wird eine Stärke spürbar. Na ja, und dann dieses Credo, das ein wenig albern klingt, das man dem Cop, dessen Frau an Krebs stirbt, aber gerne glauben möchte, weil Patrick Wilson uns einfach gepackt hat:
"Dein Ed, ich habe es ihm neulich nicht gesagt, aber ich konnte ihn verstehen. Das ist der Felsblock, den wir schieben, wir Männer. Auch wenn wir uns damit nicht leichttun. Es ist ein Privileg."
Welche schauspielerischen Mittel aus Patrick Wilsons aktivem Nichtstun einen Langweiler oder einen starken Mann machen? Gute Frage.
Und jetzt, in "Zipper", Mora Stephens bösem Polit-Thriller, eine weitere Variante dieser Art von Patrick Wilsons Unterspielen, bei dem aber der dunkle Abgrund der Sexsucht, der Angst, entdeckt zu werden …
"Wieso seid ihr schon hier?"
… immer deutlicher zutage tritt.
"Wir sind hier, um dich zu überraschen." / "Was für ein Handy ist das?"
Fragt Sams Frau, gespielt von Lena Headey. Doch "Zipper" erzählt nicht von menschlichem Scheitern oder dem einer Karriere, sondern von einem System von Geld, Macht und Erotik, der von Geld und von Macht nämlich. Sam wird jedenfalls am Ende immer selbstbewusster; kann immer besser lügen:
"Das liegt längst hinter mir."
Zumal seine Frau wohl verletzt ist von Sams Betrug, aber ihre privilegierte Position in diesem System, das bringt ihr alter Freund sehr präzise auf den Punkt, will sie nicht verlieren:
"Darum geht es dir in erster Linie. Solange du auf deinem Scheiß-Thron bleiben kannst."

Die Abgründe hinter Macht und Erfolg

Sam und Jeannie, das Ehepaar in "Zipper", erinnern natürlich an Mr. und Mrs. Underwood in "House of Cards". Nur dass Mora Stephens keine vier Serien-Staffeln und erzählerische Endlosschleifen inklusive diverse Wiederholungen braucht, um den Zynismus eines gesellschaftlichen und politischen Systems, die Abgründe, die hinter Macht und Erfolg stehen …
"Eine Hand wäscht die andere."
… auf den Punkt zu bringen. Da ist der Film dann doch stärker als die Serie. Wie sagt Richard Dreyfuss als machtvoller Lobbyist am Ende von "Zipper" zu Sam, bevor er dem Senator einen dicken Umschlag über den Tisch schiebt:
"Wenn wir alle Kandidaten aussortieren, die je ihre Frau betrogen haben, würden nur noch schwanzlose Idioten unser Land regieren. Und das wollen wir wohl alle nicht."
Was nicht bedeutet, dass Sam nicht weiter das saubere Image zu pflegen hat. Letzte Szene von "Zipper": Sam klopft im anonymen Hotelflur an eine Tür und tritt ein.

Zipper
Regie: Mora Stephens
Darsteller: Patrick Wilson, Lena Headey, Richard Dreyfuss, Ray Winstone
109 Minuten
VideoOnDemand, als DVD/BluRay: Ascot Elite

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