"Ziel ist, die Arbeit in die Regionen zu delegieren"

Moderation: Nana Brink · 29.06.2007
Jutta Limbach hat die Neustrukturierung des Goethe-Instituts verteidigt. Es müsse kein Institut geschlossen werden, und die Arbeit vor Ort werde gestärkt, sagte die Instituts-Präsidentin. Die jeweiligen Leiter dort seien nun in größerem Maße ihres Glückes Schmied.
Nana Brink: Das Goethe-Institut ist die wichtigste Vermittlerorganisation deutscher Kultur im Ausland. Es existiert seit über 60 Jahren und soll nun nach einer Phase der Stagnation "zurück zu seinen Kernaufgaben": Förderung der deutschen Sprache, kulturelle Kooperation und Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes", - so will es der Deutsche Bundestag, der letzten November eine Trendwende beim Goethe-Institut gefordert hat.

Wir sind jetzt verbunden mit Jutta Limbach, der Präsidentin des Goethe-Instituts. Schönen guten Tag, Frau Limbach.
Jutta Limbach: Guten Tag, seien Sie mir gegrüßt, Frau Brink.
Brink: Gestern tagte das Präsidium des Goethe-Instituts. Zu Gast waren auch Vertreter der Unternehmensberatung von McKinsey. Wie war denn die Sitzung, so wie in der Presse spekuliert worden ist, eine nette PowerPoint-Präsentation der Unternehmensberater?
Limbach: Also wir haben kaum PowerPoint gesehen, ich glaube überhaupt keine PowerPoint-Vorstellung, sondern jeder hat sich, wie das im Goethe-Institut üblich ist, der guten deutschen Sprache bedient bei der Vorstellung dessen, was künftig sich ändern soll.
Brink: Was wird sich ändern, was haben Ihnen die Unternehmensberater vorgeschlagen?
Limbach: Vornehmlich richtet sich die Aufgabenkritik auf die Zentrale. Und um eine grobe und wichtige Neustrukturierung deutlich zu machen: Klares Ziel ist, die Arbeit in die Regionen zu delegieren. Die Zentrale beschränkt sich im Wesentlichen auf Serviceleistung, auf die Steuerung, auf Beratung, aber die Hauptarbeit wird in den Regionalinstituten und den Instituten in unserem weltweiten Netz künftig geleistet.
Brink: Dann stimmt das also ein bisschen, was in der "Süddeutschen Zeitung" gestanden hat, dass man, wenn man einsparen muss vor Ort, zum Beispiel die Zentrale nur noch zu einem Eventmanagement wird.
Limbach: Das ist völlig absurd. Sie wissen ja, das große Positivum dieses Reformkonzepts ist, dass nicht ein Institut geschlossen wird, sondern dass die Institute vor Ort in ihrer Arbeit bestärkt werden. Und der Ausdruck Event hat also wirklich in den Diskussionen des Goethe-Instituts weder als Wort noch in der Sache eine Rolle gespielt.
Brink: Was ändert sich denn für den Besucher, zum Beispiel der in London oder Lissabon jetzt ins Goethe-Institut kommt?
Limbach: Für den Besucher ändert sich auf den ersten Blick gar nicht so viel. Er wird wie immer die Sprachangebote wahrnehmen können. Für den Institutsleiter und die Verantwortlichen im Institut ändert sich viel, weil sie nämlich selbst im größeren Maße ihres Glückes Schmied sind, wenn ich das mal so sagen darf. Sie haben auch weitgehend die Verantwortung, zu entscheiden, welche Medien sie benutzen und wie sie die anschaffen. Da ist also eine Menge delegiert worden, um einfach den Institutsleitern die Möglichkeit zu verschaffen, wenn sie Literatur brauchen, nicht erst den Weg übers Institut zu nehmen, sondern direkt auch diese Möglichkeit zu nutzen.
Brink: Darf ich da einhaken? Das ist doch in der Vergangenheit auch oft kritisiert worden, dass es eine zu große Beliebigkeit eigentlich im Angebot der einzelnen Institute im Ausland gibt. Fördern Sie das nicht durch diese Struktur, an der Sie festhalten?
Limbach: Nein, das fördern wir gar nicht, weil wir nämlich die Regionalinstitute haben. Und diese Regionalinstitute – das ist zum Beispiel Paris, das ist Tokio, das ist London –, die haben auch die Aufgabe, die Programmarbeit in ihrer Region zu strukturieren, um eben so etwas, was Sie Beliebigkeit nennen, auszuschalten. Und gewiss leistet noch immer die Zentrale auch Dienste in Fragen der Programmarbeit. Aber eine gewisse Eigenständigkeit und Autonomie zeichnet bei uns auch die Regionen und auch den Institutsleiter aus. Kultur wird auch bei uns nicht administriert.
Brink: In einer Erklärung vom letzten November sprechen Sie von einer der Kernaufgaben des Goethe-Instituts, der Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes. Wird das Goethe-Institut jetzt eine – zugespitzt formuliert – Nationalvertretung der deutschen Kultur? Haben Sie das auch besprochen auf der Präsidiumssitzung gestern?
Limbach: Das wird jeden Tag im Goethe-Institut besprochen, dieses Verhältnis auch zur Regierung. Und die besondere Vertrauenswürdigkeit des Goethe-Instituts liegt gerade darin, dass es in den inhaltlichen Fragen eigenständig ist. Gewiss gibt es immer auch wieder eine Abschätzung dieser Autonomie, aber wir sind nicht eine Art auswärtiges Presseamt der Bundesregierung oder des Auswärtigen Amtes, sondern das realistische Deutschlandbild, das wir auch in seiner ganzen Vielfältigkeit und mitunter auch Zwiespältigkeit zeigen, das wird im Goethe-Institut erarbeitet, natürlich unter Zuhilfenahme der Mittel, die uns Gesellschaft, Kultur und Politik zur Verfügung stellen. Ich denke, mit dem Beiwort "deutsch" haben wir im Goethe-Institut überhaupt keine Mühe. Wir sind in der Tat ein bundesrepublikanisches deutsches Kulturinstitut.
Brink: Also das leidige Thema Leitkultur wird da nicht wieder aufs Tapet gebracht. Außenminister Steinmeier hat ja gestern auch gesagt, Leitkultur, das sei ein untaugliches Bollwerk. Dem stimmen Sie also zu?
Limbach: Völlig, völlig. Ich halte nichts von einer Leitkultur, weil dieser Ausdruck einfach mit Grenzziehungen und auch mit einer gewissen Anmaßung verbunden ist. Wir repräsentieren deutsche Kultur, aber wir versuchen nicht, anderen unseren Stempel aufzudrücken. Haben wir auch gar nicht nötig, weil sie sich im Allgemeinen freuen darüber, wenn deutsches Theater zu Gast ist, oder Tanz oder Günter Grass oder Uwe Timm lesen.
Brink: Dann sind wir ja sehr gespannt, ob die sich auf deutsche Kultur zum Beispiel auch in Asien oder in der islamisch geprägten Welt freuen. Sie haben ja sehr darauf gepocht, dass weitere Institute genau in diesen Gebieten eröffnet werden. Gab es dazu konkrete Beschlüsse in der gestrigen Präsidiumssitzung?
Limbach: Wir werden in Novosibirsk ein Institut eröffnen, und die gewählte Institutsleiterin ist auch schon alsbald auf dem Weg dorthin. Wir denken auch darüber nach, wie wir in China mehr von unseren beiden Instituten, die wir dort haben, in die Fläche hineinwirken können. Da spielen in der Tat gegenwärtig andere Präsenzformen eine Rolle, denn trotz der Gelder, die uns gegeben worden sind, können wir nicht unendlich Institute eröffnen, und bei den Geldern, die uns für das kommende Haushaltsjahr gegeben werden, ist sehr deutlich ein Schwerpunkt in Afrika, in der Sub-Sahara gesetzt worden. Dort wird es also auch noch weitere Institute geben, von Tansania und Angola ist die Rede. Aber das ist eine Aufgabe von morgen. Erst muss das Geld tatsächlich im Bundestag bewilligt worden sein, bis wir neue Pläne für neue Institute schmieden.
Brink: Und welche Institute werden geschlossen?
Limbach: Geschlossen wird kein Institut, das ist ja die wirklich frohe Botschaft. Die hat natürlich auch von dem Goethe-Institut verlangt, dass wir auch unseren Sparbeitrag erbringen. Und dieses Reformkonzept, das den seltsamen Namen "Goethe 99" trägt, das ist eben ein Schritt auf diesem Weg.
Brink: Vielen Dank, Jutta Limbach, die Präsidentin des Goethe-Instituts. Und wir sprachen mit ihr über die neuen Ziele und Vorhaben des Instituts.