Zerstörung von Kulturgütern

Was das Vergangene repräsentiert, soll vernichtet werden

08:41 Minuten
Blick auf die Ruinen von Palmyra, nachdem der IS die antike Stätte zerstört hat.
Nachdem der IS gewütet hat, ist von Palmyra nicht viel übrig geblieben. © picture alliance / NurPhoto / Hasan Belal
Hermann Parzinger im Gespräch mit Dieter Kassel · 18.03.2021
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Zu allen Zeiten und überall: Dass in Konflikten Denkmäler zerstört werden, ist eine historische Konstante. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat über diese Kultur der Zerstörung nun ein Buch geschrieben.
2015 sprengte die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) den Baaltempel in der antiken syrischen Ruinenstadt Palmyra. Es war eine Machtdemonstration der Terroristen – und die ganze Welt schaute geschockt zu.
So weit man auch in die Geschichte der Menschheit zurückblickt: Die absichtliche Zerstörung von Kunst und Kultur hat es immer gegeben. Hermann Parzinger, Archäologe und Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat darüber nun ein Buch geschrieben.

Das Rauben von Identität

"Es beginnt in dem Moment, wo kulturelle Denkmäler, Kunstwerke, für die Identifikation von Gemeinschaften eine Bedeutung haben", sagt er. Bei der Implementierung von neuen Herrschaftsverhältnissen sei es immer auch darum gegangen, "all das, was das Vergangene repräsentiert, zu vernichten" - um das "Rauben von Identität".
So gibt es für die Zerstörung von Kultur machtpolitische, ideologische und religiöse Gründe. Und wirtschaftliche: Eine Konstante sei auch, dass es dabei immer wieder um "Vermögensumverteilung" gehe, so der Archäologe.
Der IS habe nicht nur Denkmäler zerstört, sondern zugleich die antiken Stätten geplündert, um das Raubgut dann zu veräußern. Und auch die Nazis hätten die sogenannte "entartete Kunst" nicht nur zerstört, sondern auch über Kunsthändler ins Ausland verkauft.

Symbolische Schlachtfelder

Dass es eine Kultur der Zerstörung gebe, zeige, welche unglaubliche Kraft Kunst letztlich habe, betont Parzinger. Mit ihrer Zerstörung sollten Umbrüche irreversibel gemacht werden. Auch die ethnischen Säuberungen in Jugoslawien seien in den 1990er-Jahren immer mit der Zerstörung von Kulturdenkmälern verbunden worden: "Die Gotteshäuser wurden zum symbolischen Schlachtfeld."
Gegen die Zerstörung von Kulturdenkmälern vorzugehen ist Parzinger zufolge schwierig. Es gebe einige Unesco-Konventionen, doch die seien nur stumpfe Schwerter, solange sie nicht in nationales Recht umgesetzt würden.
Immerhin sei inzwischen ein Islamist wegen der Zerstörung von Weltkulturerbe vom Internationalen Strafgerichtshof zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Dieser war an der Zerstörung von mittelalterlichen Heiligengräbern und einer Moschee in Timbuktu, Mali, durch die Dschihadisten-Milliz Ansar Dine beteiligt.
"Das ist ein wichtiges Zeichen, dass die Weltgemeinschaft solche intentionellen Kulturzerstörungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet und wertet", sagt Parzinger.
(ahe)

Hermann Parzinger: "Verdammt und vernichtet. Kulturzerstörungen vom alten Orient bis zur Gegenwart"
C.H. Beck, München 2021
368 Seiten, 29,95 Euro

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