Zeitlose Lebensweisheiten

13.01.2010
Dieses Buch kann man lesen ohne einen "doppelten Doktor" in Philosophie in der Tasche, auch ohne irgendein Lexikon zu bemühen. Seine Sprache ist so einfach wie die des Konfuzius, nur bemüht sich Yu Dan um eine sanfte Modernisierung, vor allem aber rückt sie den Meister aus dem Reich der Mitte in ein globales Licht.
"Der Glanz der alten Meister leuchtet uns den Weg. Von ihnen können wir lernen, über uns selbst hinauszuwachsen."

Konfuzius ist einer dieser alten Meister, und obwohl uns Jahrtausende trennen von seinen Lebzeiten, sind seine Lebensweisheiten uns doch ganz nah.

Yu Dan ist angetreten, das unter Beweis zu stellen. Die Medien-Professorin aus Peking meint, eigentlich ist Konfuzius uns schon vertraut, noch bevor wir seine Ideen zu Ende gelesen haben, denn das, was er uns lehren will über ein geglücktes Leben, das alles wissen wir im Grunde längst: Unsere Seele weiß es, unser Unbewusstes, das Wissen ist nur verschüttet. Ergo: Wir alle tragen "Konfuzius im Herzen", darum der Titel dieses Buches, und darum spricht Konfuzius uns auch aus dem Herzen: seine Wahrheiten sind schlicht und menschlich, für jedermann zu verstehen.

Auffällig allerdings – Yu Dan interessiert sich hier nur für den "halben Konfuzius". Gedanken von ihm wie "Der Herrscher ist Herrscher, der Untertan ist Untertan, Kinder haben ihren Eltern zu dienen, Frauen ihren Männern", sprich: die ganze feudale Staatslehre des Konfuzianismus kommt in diesem Buch nicht vor. Es handelt nur von Konfuzius' zeitlosen Lebensweisheiten. In genau dieser Sache will Yu Dan den Meister Konfuzius befreien vom akademischen Ballast, unter dem all seine gelehrten Interpreten den wahren Konfuzius begraben haben, denn:

"Was wirklich von großer Bedeutung ist, kommt nicht aufgeblasen und steif daher. Was wirklich von Bedeutung ist, hat mit lebendiger Erfahrung zutun, es überdauert die Zeit und erfüllt uns noch heute mit wohliger Wärme."

Und tatsächlich. Dieses Buch kann man lesen ohne einen "doppelten Doktor" in Philosophie in der Tasche, auch ohne irgendein Lexikon zu bemühen. Seine Sprache ist so einfach wie die des Konfuzius, nur bemüht sich Yu Dan um eine sanfte Modernisierung, vor allem aber rückt sie den Meister aus dem Reich der Mitte in ein globales Licht. Schon ihre Art, die Ideen des Konfuzius zu ordnen, kommt dem westlichen Denken entgegen. Die Kapitel in des Buches sind wie folgt überschrieben: "Über Himmel, Erde und das Menschsein", "Über den wahren Mut" oder "Über die Freundschaft". Das erinnert einen an das Werk von Arthur Schopenhauer. Schopenhauer, der - mit Voltaire - der Meinung war, die großen Weisen dieser Welt hätten doch alle das Gleiche gesagt. Nach der Lektüre dieses Buches ist man geneigt, den beiden recht zu geben. Ein Beispiel: Da hat ein Schüler den Konfuzius gefragt:"Gibt es denn ein Wort, nach dem man sein Handeln getrost ein Leben lang ausrichten kann?" – Die Antwort des Meisters:

"Wie ist es mit Rücksicht? – Was man sich selbst nicht wünscht, das füge man auch niemand anderem zu."

Voilà ! Der kategorische Imperativ des Immanuel Kant. Natürlich ein wenig vereinfacht, doch schon 2000 Jahre früher von Konfuzius formuliert.

Aber es gibt auch Ideen in diesem Buch, die sind der westlichen Denkart eher fremd. "Was sind die wichtigsten Charaktereigenschaften eines Menschen, vor dem man Respekt haben kann?", wurde Konfuzius gefragt. Die Antwort des Meisters: "Warmherzigkeit" und "Respekt vor Anderen".

Nun, "warmherzig" ist nicht eben eine Kategorie des westlichen Rationalismus. So wenig wie das Wort "Respekt". Das klingt in Ohren, die die Aufklärung hinter sich haben, immer ein wenig verdächtig, man assoziiert es leicht mit einem Bückling vor der Obrigkeit. Im Gegenzug gibt es ein paar Vokabeln im westlich-modernen Werte-Kosmos, die sind offensichtlich dem Konfuzius ziemlich fremd: "Erfolg" zum Beispiel oder "Eigentum" und "materieller Besitz":

"Für allzu sehr auf Besitz fixierte Menschen hat Konfuzius nur Geringschätzung übrig. Sie sind für ihn unfähig, in größeren Dimensionen als in ihrem Eigeninteresse zu denken, und so zu nichts Großem fähig."

Zu etwas Großem, meint Konfuzius, ist jeder Mensch fähig, denn das Große ist das Einfache: sich selbst zu erziehen - mit dem Ziel, sich selbst und anderen Menschen Ruhe und Frieden zu schenken. Diese Erkenntnisse, so die Autorin, können wir aus den Gesprächen des chinesischen Meisterdenkers gewinnen.

Natürlich habe Konfuzius mit seinen Schülern in erster Linie über Ideale gesprochen: Wie ist ein idealer Charakter beschaffen, wie eine ideale Gesellschaft? Das habe ihn interessiert, weil: Jede Gesellschaft braucht Leitbilder, und diese politisch-moralischen Leitbilder des Konfuzius, heißt es in diesem Buch, sie leben im modernen China fort:

"Auch heute noch sprechen die Chinesen davon, dass ein wohlwollender Himmel, ein ertragreicher Boden und Friede zwischen den Menschen die wichtigsten Voraussetzungen sind sowohl für den Aufstieg einer Nation als auch für den eigenen beruflichen Erfolg."

Yu Dans Buch über "Konfuzius im Herzen" handelt von chinesischen Geistesidealen, nicht von der politisch-moralischen Wirklichkeit in diesem Land, die bleibt außen vor, ganz einfach, weil sie nicht Gegenstand dieses Buches ist.

Darum konnte es die Regierung in Peking wohl auch als eine Art "China-Marketing" betrachten, die Übertragung dieses Werkes ins Deutsche zu fördern, denn im Vorspann des Buches bedankt sich der Verlag ausdrücklich beim "Amt für Presse und Publikationswesen der Volksrepublik China" für die "großzügige Förderung der Übersetzung". Eine ausgezeichnete übrigens: Ein schlichter, poetischer Text in einem schön gestalteten Buch. Eine schlichte Freude, es zu lesen.

Besprochen von Susanne Mack

Yu Dan: Konfuzius im Herzen. Alte Weisheit für die moderne Welt
Aus dem Chinesischen von Johannes Fiederling
Droemer Verlag, München 2009
240 Seiten, 16,95 Euro
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