Zehn Minuten für einen Song

Matt Farley macht suchmaschinenoptimierte Musik

Spotify, YouTube, iTunes: Verschiedene Musik-Apps sind auf einem iPad zu sehen.
Spotify, YouTube, iTunes: Verschiedene Musik-Apps sind auf einem iPad zu sehen: Matt Farley setzt darauf, überall gefunden zu werden. © dpa / picture alliance / Ole Spata
Von Mike Herbstreuth · 07.02.2017
Kugelschreiber, Shampoos, Mittelstädte: Der Amerikaner Matt Farley schreibt massenhaft Lieder über so gut wie alles. Denn der Musiker will unter möglichst vielen Suchbegriffen gefunden werden.
Es herrscht kein Mangel an Liebesliedern im Pop, so viel steht fest. Anders sieht es da schon bei Popsongs über Bürobedarf aus. In dieser Nische hat der Amerikaner Matt Farley so etwas wie das Marktmonopol. Er hat schon diverse Lieder geschrieben über Kugelschreiber, Schreibtische, Tacker oder auch Highlighter.
In seinen Songs beschäftigt sich Matt Farley aber nicht nur mit Bürobedarf, er hat auch ein Alben über Pflegeprodukte aufgenommen. Im Prinzip ist es so: Egal welches Thema - Matt Farley hat ziemlich sicher einen Song darüber veröffentlicht. Und das ist sein Erfolgskonzept.
Der 39-Jährige schreibt Lieder über alles und jeden - das ist keine Übertreibung. Mehr als 18.300 Lieder hat Farley seit 2008 bei iTunes und Spotify hochgeladen. Macht gut fünf Lieder am Tag - alle aufgenommen in seinem Keller. Und alle suchmaschinenoptimiert.

Allein 88 Songs über Städte im US-Bundesstaat New Jersey

Zum Beispiel haben tausende Städte auf der ganzen Welt einen Song bekommen, egal wie groß oder klein. Unter dem Namen "The Guy Who Sings About Cities & Towns" hat Farley allein 88 Songs über Städte im US-Bundesstaat New Jersey veröffentlicht. Sucht also irgendwer aus irgendeinem Grund ein Lied über die Stadt Union City in New Jersey, landet derjenige ziemlich bei einem Lied von Matt Farleys namens "Possibly The Best Song About Union City".
Zwischen zwei Minuten und zwei Stunden sitzt Farley an so einem Song. Die Idee zu dieser Musikmassenproduktion kam Farley vor zehn Jahren eher zufällig.
"Mir ist damals ein Licht aufgegangen. Mit den 24 Alben, die ich seit den 90ern mit meiner Band Moes Haven aufgenommen hatte, haben wir insgesamt gerade mal 3000 Dollar verdient. Aber auf den Abrechnungen haben wir gesehen, dass sich einzelne Songs bei Streaming-Diensten ganz gut verkauft haben. Der Song 'Gurkensandwich' zum Beispiel. Unsere paar Quatsch-Songs liefen viel besser als unsere vermeintlich 'ernsten' Lieder. Da dachte mir: Ich kann locker 20 solche Liedern am Tag schreiben. Und wenn sich das alles summiert, könnte ich vielleicht doch mit Musik meinen Lebensunterhalt verdienen."

Für 44 Euro gibt es den Song der Wahl

Letztes Jahr hat Farley mit seinen Songs auf iTunes und Spotify gut 20.000 Dollar verdient. Dazu kamen nochmal 30.000 Dollar, die er durch Spezialanfertigungen eingenommen hat. Fans können bei Farley Songs zum Thema ihrer Wahl bestellen, für 44 Dollar das Stück. Ein Erfolg, der nur dank Streaming-Plattformen möglich war, sagt Farley.
"Vor 20 Jahren hätte ich das Musikmachen schon längst aufgegeben. Welche Plattenfirma nimmt jemanden wie mich unter Vertrag? Aber heutzutage kann ich einfach kostenlos Musik online stellen. Ich bin unabhängig von irgendwelchen Gatekeepern bei Plattenfirmen. Und ich muss mich nicht verbiegen oder mich an ihre Definition halten, was ein Hit ist. Ich muss zwar zehn Mal härter arbeiten als Bands mit einem Plattenvertrag, aber das tue ich gern."
Dass viele Bands und Künstler Dienste wie Spotify dafür kritisieren, dass nur sehr wenig Geld aus dem Streaming-Geschäft bei ihnen ankommt, kann Farley deswegen auch nicht nachvollziehen. Sein Rat:
"Produziert eure Songs einfach. Es sind doch nur Lieder. Ich haue einfach einen nach dem anderen raus. Mir ist es auch nicht so wichtig, dass die Songs perfekt sind, wie ja auch viele meiner Kritiker schon angemerkt haben."
Sollte sich also bald mal wieder eine Band beschweren, dass sie auf Spotify nur 0,004 Cent pro gestreamtem Song verdient: Verweist einfach auf Matt Farley. Denn es lässt sich als Künstler eben doch Geld auf Streaming-Plattformen verdienen, auch wenn man nicht Lady Gaga oder Drake heißt und Milliarden von Klicks bekommt. Man muss nur seine eigenen musikalischen, textlichen und künstlerischen Ansprüche ordentlich runterschrauben. (huc)