Zehn Jahre nach Skandal am Canisius-Kolleg

Nationaler Pakt gegen Kindesmissbrauch gefordert

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Hochgestellte Stühle in einem Klassenzimmer im Canisius-Kolleg - im Hintergrund an der Wand ein Kruzifix.
Vor mittlerweile zehn Jahren wurde der sexuelle Missbrauch von Schülern im Canisius-Kolleg in Berlin aufgedeckt. Die Ermittlungen stocken nach wie vor. © imago / Sven Lambert
Claudia van Laak im Gespräch mit André Hatting · 28.01.2020
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Nach der Aufdeckung der Missbrauchsfälle am katholischen Berliner Canisius-Kolleg vor zehn Jahren wurden viele ähnliche Fälle bekannt. Doch ist seither noch zu wenig passiert, um Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen zu schützen.
Vor zehn Jahren wurde der Missbrauchsskandal am Berliner Canisius-Kolleg aufgedeckt. Es folgten zahlreiche weitere Fälle an anderen katholischen Einrichtungen. Zeit für eine Bilanz, was seither geschah. Und die fällt für die Journalistin Claudia Laak, die den Fall von Beginn an verfolgt hat, durchwachsen aus.
Das Canisius-Kolleg etwa habe "wenig zurückgeblickt – und sehr schnell nach vorne, so mein Eindruck", sagt van Laak. Die Reaktionen großer Teile des Lehrerkollegiums der Schule sei bezeichnend dafür: "'Na ja, das war ja alles in den 70ern und 80ern – damit haben wir heute nichts mehr zu tun.'"

Die Opfer sind enttäuscht

Zwar sei schnell ein umfangreiches Präventionskonzept aufgelegt worden – mit Trainings für mehr Selbstbewusstsein, mit einer räumlichen Umgestaltung, sodass es keine dunklen Räume mehr gebe, die Tätern unbeobachteten Zugriff ermöglichten –, aber der Betroffenenkreis sei insgesamt enttäuscht. Der Vorsitzende der Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, habe dies klar kritisiert und gesagt: "Die Schule und der Orden haben es bisher versäumt, tatsächlich eine unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung der Gewaltgeschichte des Canisius-Kollegs, nicht nur in den 70er- und 80er-Jahren, sondern auch die Vorgeschichte, in Auftrag zu geben."
Heute gibt es mit Johannes-Wilhelm Rörig zwar einen vom Bund eingesetzten unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Doch zog jetzt ebenfalls eine durchwachsene Bilanz: An einigen Orten, etwa Kindergärten oder in Kirchengemeinden, sei die Umsicht beim Schutz der Kinder zwar deutlich gestiegen. Dennoch reichten die Maßnahmen noch lange nicht aus, so Rörig. Und so sieht es auch Claudia von Laak – und erinnert an den "Fall Lügde": ein Campingplatz, auf dem über zehn Jahre lang Kinder sexuell missbraucht wurden.

Kampf gegen Missbrauch politisch verankern

Rörig fordere deshalb einen nationalen Pakt gegen sexuellen Kindesmissbrauch. Dazu gehöre die politische Verankerung des Kampfes gegen solche Übergriffe gegen Mädchen und Jungen und die Forderung nach mehr Mitteln vom Bund, etwa für Beratungsstellen. Des Weiteren halte Rörig ein EU-konforme Vorratsdatenspeicherung für notwendig, um auch Täter im Netz, die sich über Internetplattformen und -foren ihren jugendlichen Opfern näherten, dingfest zu machen. "Rörig sagt: Kinderschutz ist wichtiger als Datenschutz."
Als einen weiteren wichtigen Eckpfeiler für ein stabiles Netzwerk gegen Kindesmissbrauch nannte der Bundesbeauftragte auch gezielte Kampagnen im öffentlichen Raum – etwa den großen Aids-Kampagnen der 80er- und 90er-Jahre vergleichbar.
(mkn)
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