Zehn Jahre 9/11 - Ein Tag und seine Folgen

Moderation: Dieter Kassel · 10.09.2011
"9/11" - dieses Datum hat sich bei vielen Menschen eingebrannt: Die Bilder der Flugzeuge, die sich in die Zwillingstürme des World Trade Centers bohren, die einstürzenden Hochhäuser, das Trauma der Verwundbarkeit der amerikanischen Nation. "9/11" - dieses Datum markiert für viele aber auch einen Paradigmenwechsel in der Weltpolitik: Der Kampf gegen den Terror, der Irakkrieg, der Einmarsch in Afghanistan, verschärfte Sicherheitsgesetze.
Wo stehen wir heute, zehn Jahre nach "9 /11"?
Was hat 9 /11 ausgelöst: In den USA, in Europa, in der arabischen Welt?

"Das waren verlorene zehn Jahre. Es waren verlorene zehn Jahre nicht nur für die arabische Welt, sondern für die internationale Gemeinschaft", sagt Aktham Suliman, der Leiter der Berliner Büros des Fernsehsenders Al Jazeera.

"Man hat sich hineinreißen lassen in einen Wahnsinnskrieg. Man hat sich hineinreißen lassen in Absurdität, muss man sagen. Erst zehn Jahre danach fing man an aufzuwachen, nachdem Milliarden ausgegeben wurden, nachdem Tausenden Unrecht getan wurde und nachdem Abertausende gestorben sind."

Der gebürtige Syrer sieht sich in einer ständigen Vermittlerrolle: Den Deutschen soll er die Reaktion der Araber erklären, den Arabern die des Westens. Seine Beobachtung: Das Religiöse wurde suspekt, Moscheen galten plötzlich als Hort von Terrorzellen.

"Das Kopftuch wurde zum Sicherheitsproblem, aber auch die, die sich nicht religiös definieren, waren verdächtig, sie waren Schläfer ..."

Der Kampf gegen den Terror habe aber auch die Liberalisierungsversuche in der arabischen Welt im Keim erdrückt:

"Als der Irakkrieg kam, war diese Diskussion tot. Die Liberalisierung, die offenen Köpfe haben eine Schlag bekommen. Die Leute sagten: 'Ach so, ihr wollt Demokratie - so wie in Guantanamo ...'"

Mit "9/11" sei auch die Radikalisierung vorangetrieben worden. Welche Gedanken bewegen ihn in diesen Tagen rund um den 11. September?

"Wie leicht Großmächte, wie leicht Völker, die öffentliche Meinung, wie leicht vernünftige Köpfe in einen Herdentrieb getrieben werden."

"Am 11. September 2001 katapultierten Terror-Anschläge in New York und Washington Amerika und die Welt in ein neues Zeitalter der internationalen Politik", sagt der Politikwissenschaftler Walther Stützle. Der Sicherheitsexperte war von 1998 bis 2002 Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium und hat die Entscheidungen, wie Deutschland auf die Anschläge reagieren sollte, unmittelbar miterlebt.

"Aus der Traum von der ausschließlich friedlichen Fortentwicklung der Welt nach dem gewaltfreien Ende des Kalten Krieges."

Er prophezeite bereits 2005 in einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur angesichts des Irakkrieges:

"Die Streitkräfte sind in einem Vietnam-ähnlichen Zustand. Das irakische Volk hat bis heute nicht verstehen können, dass ihm tatsächlich die Demokratie gebracht worden sei."

Stützle, der auch Leiter des renommierten Stockholmer Friedensforschungszentrums Sipri war, hat immer wieder die Folgen der politischen Entscheidungen nach "9/11" kommentiert. 2010 mahnte er angesichts des zehrenden Afghanistankrieges:

"Müssen wir uns nicht endlich einmal mit den Ursachen beschäftigen, die dem islamischen Fundamentalismus und Terrorismus immer neue Nahrung geben? Werden uns sonst nicht in absehbarer Zeit neue Terrorzellen in 'zerfallenden Staaten'` bedrohen, wie sie bereits im Jemen, in Pakistan, in Somalia und Nigeria sichtbar werden? Wollen wir dort überall einmarschieren?"

"Zehn Jahre 9/11 – Ein Tag und seine Folgen"
Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Aktham Suliman und Walther Stützle. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 – 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Links zum Thema bei dradio.de:
Sammelportal 9/11 - Zehn Jahre danach
Ein Tag, der die Welt veränderte -
Beiträge, Reportagen und Interviews zum zehnten Jahrestag von 9/11
Leben mit dem Krater - New York unmittelbar nach den Anschlägen auf das World Trade Center