Zehn Eier, vier Kilo Frischobst

Von Udo Pollmer · 02.12.2012
Naturkatastrophen, Pandemien, politische Instabilitäten: Es gibt viele Gründe, sich für den Krisenfall mit Lebensmitteln einzudecken. Immer mehr Bürger treffen Vorsorge für den Notfall. Und auch das Verbraucherministerium hat gute Ratschläge zur Hand.
Die Angst vor der großen Katastrophe geht um – ablesbar ist der Angstpegel an den steigenden Umsätzen für Katastrophen-Spezialnahrung. Für 1.000 Euro gibt’s eine Dreimonatspackung mit Trockenlebensmitteln – jahrzehntelang haltbar. Ob das bei Katastrophen viel bringt, sei dahingestellt. Zum Trockenfutter gehören natürlich ausreichende Wasservorräte. Auch Dosen mit Ravioli oder Linsen mit Speck halten sich über viele Jahre. Und die haben noch einen Vorteil – sie müssen nicht mit Wasser angerührt werden. Wer weiß, ob das im Fall des Falles in hygienischer Form zur Verfügung steht.

Auch das Verbraucherministerium betreibt eine Website mit Ratschlägen und einem Musterwarenkorb für einen ausgewogenen Notvorrat, sicher ist sicher. Der Monatsvorrat für einen Zweipersonenhaushalt enthält 3,2 Kilo grüne Bohnen in Dosen und 1,6 Kilo Spargel in Gläsern. Bei einem Erdbeben sind zerbrechliche Gefäße keine gute Idee – aber warum überhaupt grüne Bohnen und Spargel? Ein Notvorrat aus kalorienarmer Kost? Bei trockenen Linsen und Weißen Bohnen bringt die gleiche Menge den zehnfachen Nährwert. Und auch fertig zubereitet in der Dose bringen sie locker dreimal soviel Power wie grüne Bohnen.

Im Mustervorrat sind für zwei Personen 10 zerbrechliche Eier vorgesehen. Wenn‘s eines Tages scheppert, dann ist ein frisches Omelett vom eigenen Herd Goldes wert. Der Nährwertrechner des Ministeriums setzt da noch eins obendrauf: Die 10 Eier – die hier mit je 60 Gramm veranschlagt werden, haben nicht etwa ein Gesamtgewicht von 600 Gramm, sondern von 2,1 Kilo. Die Bundesregierung rechnet!

Aber es geht noch weltfremder: Im Mustervorrat sind stolze 4 Kilo Frischobst – Birnen, Bananen, Orangen. Die müssen Sie natürlich rechtzeitig für den Notfall einlagern. Sonst gehen Sie leer aus. Ein paar Klicks weiter erfahre ich dann, ich sollte hin und wieder "faulendes Obst und Gemüse aussortieren". Klar doch, einmal im Monat komplett in die Biotonne – da ist noch Platz, zumindest bis zur nächsten Info-Katastrophe.

Die folgt auf den Fuß: Denn Butter, die haltbarer und sättigender wäre, sollten Sie nur sparsam bevorraten. Wozu auch, zum Bestreichen der vier Kilo Vollkornbrot für zwei Personen wird es vermutlich nicht mehr kommen. Bis zum Krisenfall haben die Körner Generationen von Motten und Käfern als Kinderstube gedient. Vielleicht sollte das Ministerium Tipps zur Bekämpfung von Vorratsschädlingen durchreichen? Tut es sogar: Vergessen Sie nicht die "Fliegengitter am Fenster". Hm, meist kamen die Motten aber schon mit irgendeiner Packung ins Haus – aber mit Fliegengitter können die Viecher wenigstens nicht abhauen. Und was, wenn es dadurch im Lager zur Katastrophe kommt? Hier der amtliche Rat: "Chemische Bekämpfung in Innenräumen nur von Fachleuten durchführen lassen" – na, da kann ich wohl kaum das Team von Frau Aigner fragen.

Der aufgeklärte Verbraucher, der naturgemäß einen großen Bogen um derartige Ratschläge macht, lagert eh lieber Butterschmalz ein. Das ist ewig haltbar und noch nahrhafter als Butter. Auch andere nahrhafte, haltbare und im Unglücksfall tröstliche Produkte, namentlich für Kinder, wie Pausenriegel, Gummibärchen oder Bonbons gehören ebenfalls dazu – nur nicht bei offiziellen Empfehlungen. Dafür gibt’s Dosen mit kalorienarmen Pilzen, oder beliebte Leckereien wie Rote Beete.

Von zentraler Bedeutung bei Katastrophen ist die Hygiene. Seuchen fordern in der Folge gewöhnlich mehr Menschenleben als die Katastrophe selbst. Doch den Begriff Seuche gibt es auf der ministeriellen Website nur als "Tierseuche". Wichtig wäre auch der richtige Umgang mit Trinkwasser. Doch auch davon weiß die Website nichts. Nicht mal die sogenannten Chlortabletten zum Entkeimen werden erwähnt, falls die Leitungen geborsten sind.

Die Website lässt vor allem einen Schluss zu: Die Mitarbeiter von Frau Aigner bekommen zuviel Geld. Denn die meisten Bürger können es sich nicht leisten, regelmäßig ihre Obstvorräte und Eierbestände auf Fäulnis zu kontrollieren, um das Verdorbene dann einfach wegzuwerfen - und wieder nachzukaufen. Frechheit! Mahlzeit!


Literatur:

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sicher ist sicher; So sollte ihr persönlicher Notvorrat aussehen. www.ernaehrungsvorsorge.de

Zum Vergleich: Schweizerische Eidgenossenschaft: Ratgeber für Notsituationen. Bern 2010