"Zauberflöte" in Zürich

Musikalischer Genuss mit Schwächen

Von Roger Cahn · 07.12.2014
Laute Buhrufe gab es bei der Premiere von Tatjana Gürbacas Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" im Zürcher Opernhaus. Zu lange Dialoge, willkürliche Kostüme, aber gleichzeitig wunderschöner Gesang: Eine "Zauberflöte", die entzaubert und bezaubert zugleich.
Zwei Welten prallen auf der Bühne aufeinander: Die wilde, chaotische und inspirierende Natur auf ein Konstrukt von Ordnung und Recht. Hie Königin der Nacht – da Sarastro. Als Symbol steht auf einer Drehbühne ein großes Haus. Am Anfang sind Türen und Fenster offen, das Publikum nimmt am Leben der Bewohner teil. Doch mit der Zeit schließen sich Türen und Fenster – man darf nur noch sehen, was sich ziemt. Traulich Kaffee trinkende Ehepaare, wenn Sarastro seine Hallen preist oder die Fratzen von Pamina und Tamino nach überstandener Prüfung.
Ins Zentrum setzt Tatjana Gürbaca Menschen aus Fleisch und Blut. Zu dieser Spezies zählen Papageno, Pamina oder die Königin der Nacht – alles Figuren, welche Sarastros "Lehren nicht erfreun". Während Pamina sich fügt, weil sie Tamino liebt, bleiben Papageno und die Königin – die Glücklichen, weil nicht eingeweiht – am Ende draußen. Und Tamino? Er kommt als naiver Jüngling in diese ganze Maschinerie, bleibt orientierungslos, weil er sich erstaunlicherweise immer wieder neuen Situationen anzupassen weiß und endet schließlich als gesichtsloser Gatte seiner Pamina und zukünftiger Herrscher über eine Welt von Ordnung und Recht. Eine erstaunliche Aufwertung erfährt bei Gürbaca Monostatos: Als Außenseiter symbolisiert er das Opfer schlechthin. Egal ob Verführer oder Entführer von Pamina, ob bestrafter Diener Sarastros oder Revoluzzer am Ende – er hat keine Chance weder bei den Menschen noch bei den Eingeweihten. Er muss draußen bleiben.
Kostüme wirken oft willkürlich
Musikalisch ist die Aufführung ein reiner Genuss, vorausgesetzt, man hört ganz genau hin. Das durchweg junge Sängerensemble unter Leitung von Cornelius Meister setzt Spiel und Gesang völlig in den Dienst der jeweiligen Rolle und Situation: Sarastro (Christof Fischesser) ist kein Herrscher, sondern ein Schwächling, der von seinem Volk in diese Rolle gedrängt wird. Pamina (Rollendebüt für die Norwegerin Mari Eriksmoen) ist eine emanzipierte junge Frau, die all ihre Reize einzusetzen weiß. Papageno (Ruben Drole) ist nicht nur lustig, sondern ein Mensch mit tiefen Gefühlen – eigentlich das Zentrum von Gürbacas Konzept. Die Königin der Nacht (Sen Guo) ist eine starke Frau, die leidet unter dem Verlust ihrer Tochter. Wunderschön singt sie ihre zwei großen Arien ohne stimmliche Knalleffekte setzen zu wollen. Tamino (Mauro Peter) ist und bleibt ein Antiheld, der sich nie bewusst ist, weshalb er "Everybody's Darling" ist und den ganzen Abend so schön singen darf.
Die Aufführung hat auch ihre Schwächen. Die Kostüme (Silke Willrett) wirken oft willkürlich, die von Tatjana Gürbaca neu geschriebenen Texte für die Dialoge neigen vor allem im zweiten Akt zu epischen Längen und wenn das Volk in der nicht ganz schlüssigen Schlussszene zu tanzen beginnt, wirkt das etwas läppisch.
Eine "Zauberflöte", die entzaubert und bezaubert zugleich.
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