Zahnersatz aus dem 3D-Drucker

Von Christian Fischer · 08.04.2009
Krone, Brücke, Prothese, Implantat - die Kosten für Zahnersatz sind hoch und der Bedarf steigt ständig. Neue Technologien unter Einsatz auch von moderner Computertechnik sollen dem Trend entgegenwirken.
Im Herzen des Laser-Sinters wogt ein Meer aus unfassbar winzigen Kobalt-Chrom-Partikeln. Ein Laser trifft wie ein Blitz auf das Partikelmeer und tanzt lautlos ein präzises Lichtballett. Wo immer er die Oberfläche berührt, verschmelzen die Teilchen zu einer schimmernden Schicht. So formt er dutzende metallische Strukturen, wie Hieroglyphen aus Metall. Dann verschwindet er plötzlich. Das Meer aus Metall schließt sich, ein kurzer Moment - dann beginnt der nächste Akt. Oder, ganz prosaisch:

"Laser-Sintern ist ein Schichtbauverfahren, bei dem pulverisiertes Material, Metall oder Kunststoff, mit einem Laser verfestigt wird. Und das schichtweise."

Christoph M. Stotko ist Marketingleiter bei EOS, einer Firma die Laser-Sinter-Anlagen herstellt. Zurzeit muss er vielen Leuten erklären was das eigentlich ist, Laser-Sintern, denn die Technik ist gefragt.

"In der Maschine passiert Folgendes: Das pulverisierte Material wird im Metall in 20-Mikrometerschichten aufgetragen und dann wird das Teil an der Stelle, wo es quasi später entsteht, tatsächlich mit dem Laser geschmolzen. Und am Ende entsteht eine vollkommen homogene und komplett dichte Struktur."

Christoph M. Stotko hat ein Daumenkino anfertigen lassen, um seine Worte zu verdeutlichen, jede Seite steht für eine Schicht. Doch wirklich Klick macht es oft erst, wenn er die Maschine vorführt, diese Metall gewordene Science-Fiction. In der Luft- und Raumfahrttechnik wird sie schon länger eingesetzt. Seit etwa zwei Jahren kann der Laser-Sinter nun auch Zahnersatz sozusagen dreidimensional ausdrucken. Genauer: die sogenannten Käppchen, also Metallgerüste für Brücken und Kronen.

"Also der Zahnarztbesuch beginnt wie eh und je mit einem Abdruck, aus dem dann der Zahnarzt oder der Dentaltechniker ein Gipsmodell erstellt. Dieses Gipsmodell wird dann abgescannt und damit haben wir elektronische Daten verfügbar. Und auf Basis dieser elektronischen Daten wird dann ein Zahnersatz konstruiert. Und dieser konstruierte Zahnersatz wird dann auf der Lasersinter-Anlage gebaut.""

Theoretisch kann der Zahnarzt die präparierten Zähne auch direkt im Mund scannen. Dann muss nicht einmal mehr ein Abdruck genommen werden. Die so gewonnenen Daten sind vergleichbar sind mit denen aus anderen Anwendungen der rechnergestützten Konstruktion, etwa aus der Architektur. Es ist eine radikale Verkürzung des Herstellungsprozesses, die in der Regel auch zu besseren Ergebnissen führt, wie Gunter Arp vom Deutschen Zahntechniker-Verband erklärt:

"Qualitativ kann sich insofern viel ändern, weil viele Fehler auf dem Weg von der Erstellung des Abdrucks bis hin zur fertigen Krone einfach ausgeschaltet werden."

Etwa 24 Stunden benötigt der Laser-Sinter für eine Platte mit bis zu 450 schimmernden Metallgerüsten für Kronen und Brücken. Sie sehen ein wenig aus wie Prothesen für Beißer, den alten James Bond Widersacher mit den Metallzähnen, und sind exakte Abbilder ihres Computermodells - genauer geformt, als ein Zahntechniker sie je hätte gießen können. Auch in punkto Geschwindigkeit kann Zahntechnikermeister Michael Heinsdorf da nicht mehr mithalten.

"Also ein Zahntechniker könnte im Durchschnitt bis zu zehn Kronen herstellen - am Tag."

Kein Wunder also, dass die Maschinen mehr und mehr das Handwerk ersetzen. Dem Zahntechniker bleibt lediglich noch, die maschinell erstellten Gerüste mit Keramik zu verblenden, damit die Krone am Ende wie ein echter Zahn aussieht. Deshalb geht die Industrialisierung in der Zahntechnik mit einem massiven Stellenabbau einher. Hinzu kommt, dass viele kleine Dentallabore gleich ganz schließen müssen, weil sie sich die teuren Geräte einfach nicht leisten können.

Gunter Arp: "So ein Gerät ist ja nicht gerade billig. So ein Gerät muss ausgelastet sein, das heißt, es muss rund um die Uhr arbeiten, um sich zu amortisieren. Und das kann sich das kleine Labor um die Ecke nicht leisten."

Kleinen Laboren bleibt oft nicht einmal die Möglichkeit, sich nur den Scanner zu kaufen und die Käppchen dann beim gerade günstigsten Anbieter zu bestellen, wie Zahntechniker Michael Heinsdorf erklärt:

"Die meisten Anbieter machen es so, dass die Systeme geschlossen sind. Wenn ich jetzt sage, dass ich gerne das Käppchen von einer anderen Firma gefräst haben möchte, dann heißt es meistens, dass diese Daten nicht von einem anderen Rechner gelesen werden können."

Die Labore sind also auf Gedeih und Verderb dem Hersteller ihres Scanners ausgeliefert. Zwar gibt es systemübergreifende Lösungen, doch ist der Markt für die meisten kleinen Labore nicht überschaubar - und befindet sich in einem rasanten Wandel.

Dieser gesamte Prozess findet für den Patienten derweil weitgehend unbemerkt statt. Er weiß in der Regel nicht, ob sein Zahnersatz nun gegossen oder gesintert wurde. Er könnte in Zukunft höchstens davon profitieren, dass der Zahnersatz ein wenig billiger wird - weil ihn Maschinen statt Menschen hergestellt haben.