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Olympia 2024
Gelenkte Demokratie?

Hamburg oder Berlin? Im März entscheiden die Mitglieder des Deutschen Olympischen Sportbundes, welche Stadt sich um die Sommerspiele 2024 bewerben soll. Vorgeschaltet ist ein Stimmungs-Test an Elbe und Spree - steht damit der Sieger schon vor der eigentlichen Abstimmung fest?

Von Wolfgang Hettfleisch | 24.01.2015
    DOSB-Präsident Alfons Hörmann
    DOSB-Präsident Alfons Hörmann will ein "zweites München" unbedingt vermeiden. (dpa / picture-alliance / Arne Dedert)
    Wenn die Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbunds am 21. März über die Bewerberstadt für die Sommerspiele 2024 entscheidet, ist auch Symbolik im Spiel. Die Wahl zwischen Berlin und Hamburg wird in der Frankfurter Paulskirche getroffen, also dort, wo im Mai 1848 die Nationalversammlung ihre Arbeit aufnahm.
    Das ist natürlich kein Zufall. Die DOSB-Bosse wollen ein starkes Signal senden. Es mag anmaßend sein, sich dafür den Mantel der deutschen Geschichte überzustreifen, aber es ist sicher hilfreich. Eine Bewerbung um die Spiele, die Aussicht auf Erfolg haben will, braucht Zustimmung. Und in Sachen Olympiabegeisterung haben Hamburg und Berlin noch Nachholbedarf. Selbst bei DOSB-Präsident Alfons Hörmann, der immerhin erkannt haben will, dass das Thema allmählich in den Vordergrund rückt, klingt das durch: "Insgesamt stellen wir in beiden Städten fest, dass die Diskussion der Befürworter und der Gegner an Fahrt aufnimmt, also dass der Austausch wesentlicher intensiver wird, was ich als ganz wesentliches Element für den Erfolg sehe. Denn der größte Feind einer Olympiabewerbung könnte die Gleichgültigkeit der Menschen sein."
    Das Trauma der gescheiterten Münchner Bewerbungen um die Winterspiele 2018 und 2022 wirkt nach. Der Versuch, die Gastgeberrolle für 2022 zu übernehmen, war an der Wahlurne gescheitert. Das Ringe-Spektakel fiel bei der Mehrheit der befragten Bürger in der bayerischen Landeshauptstadt und in deren Partnergemeinden durch. Eine Watsch'n, die der Allgäuer Hörmann diesmal unbedingt vermeiden will. Deshalb ist die Zustimmungsrate bei der Wahl zwischen Berlin und Hamburg ein Schlüsselkriterium: "Wo haben wir die größere Sicherheit, dass uns nicht ein zweites München, um es mal ganz einfach und plakativ zu formulieren, passiert?"
    Repräsentative Umfrage könnte Vorentscheidung bringen
    Aufschluss soll eine Forsa-Umfrage Ende Februar geben. Deren genauer Wortlaut sei noch nicht abgestimmt, sagt die Verbandsspitze. Klar ist: Die Stadt, deren olympische Fieberkurve höher ausschlägt, hat beste Chancen, den Konkurrenten auszustechen. Der DOSB-Präsident bestätigt das nicht direkt, aber er verweist auf die Gepflogenheiten beim Internationalen Olympischen Komitee: "Ich meine, dass die Befragung in mehrfacher Hinsicht eine sehr entscheidende Bedeutung haben wird. Das IOC wird seinerseits ja spätestens auf der internationalen Ebene dann entsprechende Befragungen durchführen und genau die Frage, haben wir in der betroffenen Stadt eine positive Grundstimmung für Olympische und Paralympische Spiele oder haben wir die nicht, umfangreich analysieren. Und es liegen zumindest, wie sagt man so schön, gesicherte Erkenntnisse vor, dass bei der Entscheidungsfindung dies auf der internationalen Ebene ein wichtiger Punkt sein wird."
    Gut möglich also, dass durch die repräsentative Befragung in einigen Wochen eine Vorentscheidung zugunsten von Berlin oder Hamburg fällt.
    "Man muss sich jetzt ja einfach ein Bild davon verschaffen, mit welcher Chance, mit welcher Wahrscheinlichkeit sind wir in welcher Stadt unterwegs. Und deshalb spielt sowohl die absolute Höhe, die wir dann messen oder die Forsa misst, als auch der Unterschied zwischen den beiden Städten – und dabei natürlich auch der Abgleich zur ersten Befragung – eine wichtige Rolle. Weil man daraus ja zumindest dann in irgendeiner Form mal Tendenzen entnehmen kann."
    Ist die Tendenz eindeutig, hieße das wohl: Wenn die DOSB-Mitgliederversammlung tagt, ist die Wahl der deutschen Stadt, die eine Bewerbung anstreben soll, eigentlich schon entschieden. Doch den Verdacht, in der Frankfurter Paulskirche werde nur noch abgenickt, was bereits geklärt sei, weist Hörmann zurück: "Wenn der eine 58 und der andere 56 Prozent hat, dann spielt ein solches Thema nur eine untergeordnete Rolle. Je größer der Abstand und je näher sicher auch im Bereich der 50 Prozent, umso eher hat es Auswirkungen."
    Dass sich die Mehrheit der Delegierten gegen den Trend stemmt, ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil das DOSB-Präsidium am 16. März, also fünf Tage vor der Vollversammlung, eine Wahlempfehlung aussprechen wird. Was aussieht wie die Steuerung der demokratischen Willensbildung von oben, beschreibt DOSB-Generaldirektor Michael Vesper als Gebot der Sorgfalt. "Wir haben ja das Trauma erlebt damals bei der Auswahl der Bewerberstadt 2012. Da gab es keine Empfehlung des Präsidiums, und da hat dann das Plenum des NOK eine Entscheidung getroffen, die erkennbar – das kann man jetzt im Nachhinein sicherlich sagen – die falsche war. Weil nämlich die Stadt, die dann ausgewählt wurde, nicht mal die technische Hürde genommen hat – nämlich Leipzig damals. Also, da sehen wir uns schon in der Verantwortung zu prüfen, ob beide Städte diese Hürde nehmen würden, ob beide Städte geeignet sind und dann eben auch, welche Stadt aus unserer Sicht geeigneter ist."
    Städte wünschen sich Abstimmung im großen Kreis
    Alfons Hörmann kann da keinen Alleingang des DOSB-Präsidiums erkennen. "In mancher Kommentierung war das so, wie wenn jetzt das Präsidium, bildlich gesprochen, unter der Käseglocke sitzend die Entscheidung trifft. Es gibt ja keinen Tag, wo nicht jeder von uns mit Mitgliedern, mit der Öffentlichkeit, mit den Städten oder wem auch immer im Gespräch ist."
    Nicht zuletzt seien die Bewerber Hamburg und Berlin mit dem Prozedere einverstanden. Und Umfrage hin, Empfehlung her, das letzte Wort habe schließlich doch das Funktionärsparlament des deutschen Sports in der Frankfurter Paulskirche. "Auch von den Städten war über Wochen und Monate hinweg klar und deutlich das Signal: Wir wollen nicht den klassischen Showdown im Sinne einer großen Präsentation. Es gab zwischendurch, das ist ja kein Geheimnis, dann durchaus auch mal Signale, die in eine andere Richtung gingen, so nach dem Motto: Es sollte doch auf jeden Fall im großen Kreis noch mal abgestimmt werden. Da können wir Entwarnung geben, weil: Es wird im großen Kreis noch mal abgestimmt. Das ist das Prinzip der Mitgliederversammlung, dass dann noch mal das gesamte Votum unserer Mitglieder eingeholt wird. Nur dann stehen ja auch alle hinter dem hoffentlich erfolgreichen nationalen Projekt Olympischer und Paralympischer Spiele."