YouTuber Ophir Kutiel

Der Komponist der Stunde

Das Logo des Unternehmens "YouTube" auf einer Wand in Berlin.
Ein Videoportal als Instrument © picture alliance / dpa / Paul Zinken
Von Tobias Feld · 14.08.2015
Der israelische Musiker Ophir Kutiel, alias "Kutiman", mixt YouTube-Videos von Musikern aus der ganzen Welt zu neuen Songs. Seine audiovisuellen Collagen haben ihm internationalen Ruhm beschert.
Es ist ein Ensemble der Unbekannten, das Ophir Kutiel erneut zu Weltruhm führt. Mit reichlich Talent gesegnet, fristeten Musiker wie Samantha Montgomery oder Nikki Dodds bisher ein Schattendasein. Selten erreichten ihre ungeschminkten und verwackelten Aufnahmen mehr als ein Dutzend Zuschauer. Es lag an Kutiel, diese Schätze zu heben.
"Als ich diese Musikclips entdeckte, hatten einige davon gerade einmal 35 Klicks. Nun wurden sie über 40.000 mal angesehen. Das macht mich wirklich glücklich. Es war Teil meiner Vision, nicht nur mich, sondern eben auch andere ins Rampenlicht zu stellen",
sagt der Mann mit dem warmen Blick und den buschigen Brauen. Das Einzige, was er in der Abgeschiedenheit eines Kibbutzes im Süden Israels dazu brauchte, war eine Internetverbindung. Bereits "Thru You" aus dem Jahre 2009 gilt als erste Kollektion, die alleine aus YouTube-Samples geschaffen wurde. Seither erweitert er unter seinem Künstlernamen Kutiman die Kulturtechnik des Samplings mit seinen audiovisuellen Collagen um eine neue Dimension. Wie im Falle von "Give It Up", das die sechsjährige Alma einsam und mit großer Feierlichkeit am Piano eröffnet, ehe sich mit Schlagzeug und Gitarre, Bass und Cello und nicht zuletzt der Sängerin Samantha Montgomery eine ganze Band hinzugesellt.
Musikalische Reife beim Jazzstudium in Tel Aviv
Man kann dieses Stück auch als Metapher auf Kutiels Werdegang verstehen. Geboren in Jerusalem und aufgewachsen im Städtchen Zichron Ja'akow am Südende des Karmelgebirges, entdeckte er im Alter von sechs Jahren das Klavierspiel. Als Teenager griff er dann zu Schlagzeug und Gitarre. Seine musikalische Reife erfuhr Kutiel beim Jazzstudium am Rimon Music College in Tel Aviv – bevor er schließlich YouTube als Musikinstrument entdeckte.
"Ich habe all meine Gedanken und Visionen in 'Thru You' gesteckt. Ich möchte diese frei verfügbare Musik auch wieder allen frei zugänglich machen, um die Menschen zum Nachdenken zu bewegen und einen Wandel herbeizuführen. Ich möchte nur kreativ sein und mit diesem Projekt kein Geld verdienen."
Ein Mix aus Rabbi-Gesängen, singender Säge und elektronischen Beats
Mit seinem neuen Werk "Thru You Too" nun stellt sich der Israeli ganz in die Tradition prägender Künstler wie Gershon Kingsley oder DJ Shadow. Mit dem Unterschied, dass der Israeli sich eben nicht Tonbänder oder Vinylplatten, sondern Musikvideos bedient. Nicht von ungefähr wurde DJ Shadow auf seiner Welttournee im Jahre 2010 in Tel Aviv vom "Kutiman Orchestra" begleitet, das namhafte israelische Musiker wie Keren Karolina Avratz, Eyal Talmudi oder Chaka Moon versammelt.
Das in alle Welt verstreute und daher schillernde Judentum sei besonders prädestiniert, die verschiedensten Stil-Ebenen zu mixen, bemerkte gerade der Musiktheater-Regisseur Barrie Kosky. Tatsächlich saugt Ophir Kutiel Musik wie ein Schwamm auf, wie eine Dokumentation einer Reise zum Jüdischen Kulturfestival in Krakau zeigt. Der Gesang eines Rabbis oder das Wehklagen einer singenden Säge vermengen sich dabei mit galoppierenden elektronischen Beats oder einer ungezähmten Bluesgitarre.
Auch auf "Thru You Too" erschaffte er Weltmusik im besten Sinne: Musiker, die nichts verbindet und Kontinente trennen, bringt er in seinem Orchester unbekannter Musiker zum Klingen.
1,2 Millionen Klicks in vier Tagen
"Bei den meisten hatte ich keine Ahnung, woher sie stammen – eine weitere wunderbare Seite des Internets. Es spielt keine Rolle, welche Sprache du sprichst oder wo du lebst. Das Einzige, was in diesem Moment zählt, ist die Musik."
Verwehte Gitarrenklänge hier, verträumte Marimba-Soli dort und hinter all dem marschiert ein hypnotischer Beat – sein Album verbreitet schlichte Eleganz. Millionenfach wurde Kutiels Erstling aufgerufen; das Stück "Give It Up" seines Nachfolgers brachte es allein binnen vier Tagen bereits auf über 1,2 Millionen Klicks. Die von dem renommierten israelischen Videokünstler Bacon Oppenheim gestaltete Webseite thru-you-too.com, die die neuesten Mashups Kutimans versammelt, wurde kürzlich von einer internationalen Jury mit einem Designpreis "Awwwards" ausgezeichnet. Heute gilt er als einer der bekanntesten israelischen Musiker weltweit – und Komponist der Stunde.
Mehr zum Thema