Youtube-Stars "Khaldi Twins"

Feelgood-Videos aus dem Gazastreifen

Strassenszene in Gaza Stadt. Ein Eselskarren und ein Motorrad sowie mehrere Männer stehen vor heruntergekommen wirkenden Gebäuden.
Strassenszene in Gaza Stadt © dpa / picture alliance / Mika Schmidt
Von Benjamin Hammer · 27.09.2017
Mit Wohlfühlvideos über Märkte oder leckere Rezepte melden sich die palästinensischen Zwillingsschwestern Asmaa und Saja Khaldi regelmäßig auf Youtube. Ihr Motto lautet: Von Gaza in die Welt. Im Moment klappt das nur über das Internet.
Das Boot ist klein und wackelig. Gleich drei palästinensische Fahnen wehen auf dem Blechdach. Die Sonne geht langsam unter, es geht raus aufs Meer. Für die Studentinnen Asmaa und Saja Khaldi ein besonderer Moment. Die beiden Zwillinge leben im Gazastreifen.
"Hey, everyone. It's a new video. We are at the Gaza-Seaport. You can hear the voice of the water."
Die beiden 20-Jährigen drehen eine neue Folge für ihre Auftritte auf Facebook und Youtube. Dort nennen sie sich nur die "Khaldi Twins". Heute zeigen sie ihren Followern den Hafen von Gaza. In anderen Folgen geht es um die Märkte der Stadt, besondere Feiertage oder palästinensische Süßspeisen.
"Wir wollen den Menschen in und außerhalb vom Gazastreifen zeigen, dass es hier auch Dinge gibt, die einfach schön sind", sagt Saja Khaldi. "Trotz der ganzen Umstände, unter denen wir hier leben."
Ihre Schwester Asmaa meint: "So eine menschliche Seite von Gaza wird in den Medien meistens gar nicht gezeigt. Wir wollen mehr zeigen als nur Kriege. Alle, die mehr von Gaza sehen wollen, die Stadt und die Menschen: Für die ist unser Youtube-Kanal."
Ein Selfie hier, ein Lächeln dort. Victoryzeichen in die Kamera: Die Youtuber-Standards haben die Zwillingsschwestern schon drauf. Die Khaldis wollen auffallen. Auf ihrer Bootstour tragen sie Cowboyhüte - über ihren Kopftüchern. Im März starteten sie auf Facebook, mittlerweile haben sie dort über 5000 Fans aus der ganzen Welt.

"Wir schaffen uns unseren eigenen, geschützten Raum"

In einer anderen Folge präsentieren die Zwillingsschwestern ein palästinensisches Nationalgericht. Knafeh, eine süße Käsespeise. Was auch immer die Khaldis im Netz zeigen: Es ist – auf den ersten Blick - höchst unpolitisch. Die beiden Schwestern sind in den Videos dermaßen gut gelaunt, man könnte fast vergessen, dass sie im Gazastreifen leben. Die Vereinten Nationen warnen: Der Küstenstreifen wird im Jahr 2020 unbewohnbar sein, wenn sich die Versorgungslage nicht verbessert.
Verzerren die jungen Frauen mit ihren Wohlfühlvideos die Realität? Dienen sie gar der islamistischen Hamas, die den Gaza-Streifen kontrolliert, als Propagandainstrument? Die beiden Schwestern kennen diese Vorwürfe und weisen sie von sich. "Das ist einfach nicht fair", sagt Asmaa Khaldi. Die schlechten Seiten von Gaza erlebe sie jeden Tag. "Mit den Videos", sagt Asmaa, "schaffen wir uns unseren eigenen, geschützten Raum".

"Ich mache meine eigenen Nachrichten"

Der Sommer 2014. Asmaa und Saja Khaldi hatten gerade ihr Abitur gemacht und freuten sich auf ein paar freie Wochen. Dann kam es zum Krieg zwischen Israel und der Hamas. Die Organisation kontrolliert den Gazastreifen seit zehn Jahren. Als Reaktion auf Raketenangriffe hat Israel den Küstenstreifen weitgehend abgeriegelt. Auch Ägypten hat das getan.
"Der Krieg vor drei Jahren war für mich ein Wendepunkt in meinem Leben", sagt Asmaa Khaldi. "Bis zu diesem Zeitpunkt wollte ich Journalistin werden. Aber nach dem Krieg habe ich diese Idee aufgegeben, weil ich genug hatte von all den schlechten Nachrichten. Mit diesem Youtube-Channel mache ich nun meine eigenen Nachrichten, die News, die ich selbst hören möchte."
Die Khaldi-Schwestern haben in ihren jungen Leben bereits drei Kriege erlebt. Den Gazastreifen haben sie erst einmal verlassen. Vor 16 Jahren waren sie in Ägypten. Asmaa und Saja Khaldi sind Teil einer frustrierten Generation, die den Glauben an die Politik verloren hat. Den Glauben an eine Einigung mit den Israelis. Und den Glauben an eine Versöhnung der rivalisierenden palästinensischen Organisationen Hamas und Fatah.
Und noch etwas gehört zur Geschichte der beiden Zwillinge und ihren gutgelaunten Videos: Wer im Gazastreifen in den sozialen Netzwerken die Hamas kritisiert, riskiert seine Festnahme.
Aus dem Video: "When you want to truly discover the culture of the country, you should go where the natives go."
Im nächsten Video erkunden die Khaldis einen Markt in Gaza-Stadt. Wenn sie so weiter machen, dann gibt es bald kaum noch Orte im Gazastreifen, die sie noch nicht besucht haben. Die Schwestern würden gerne verreisen. Ihr Motto lautet: Von Gaza in die Welt. Im Moment klappt das nur über das Internet.
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