Yanis Varoufakis

Der große Polarisierer beehrt Berlin

Der griechische Finanzminister, Yanis Varoufakis spricht am 08.06.2015 zum Thema "Zukunft Griechenlands in der EU" bei einer Veranstaltung der Hans-Böckler-Stiftung im Französischen Dom in Berlin.
Vorsicht bei der Handhaltung! Yanis Varoufakis spricht zum Thema "Zukunft Griechenlands in der EU" bei einer Veranstaltung der Hans-Böckler-Stiftung im Französischen Dom in Berlin. © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Von Benjamin Hammer  · 09.06.2015
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ist einer der bekanntesten Politiker Europas: Bei einer Veranstaltung mit ihm in Berlin tragen manche Besucher T-Shirts mit seinem Konterfei. Seinen Politikerkollegen geht er hingegen zuweilen auf die Nerven.
Erst ein Treffen mit Wolfgang Schäuble. Dann die Grünen, später die Linke, schließlich die SPD. Der Tag des Yanis Varoufakis ist stressig, technokratisch und manchmal hitzig. Bis zu diesem Moment vor der Französischen Friedrichstadtkirche zu Berlin. Varoufakis wird gleich an einer Podiumsdiskussion teilnehmen, draußen spielt eine junge Frau auf einer Gitarre und singt ein griechisches Lied. Für einen kurzen Moment kommt die Debatte um Griechenlands Schulden zu einem Stopp. Die Frau singt auf Griechisch:
"Unser Leben ist unter den Hammer gekommen. Sie kaufen und verkaufen uns. Sie wringen uns aus und werfen uns weg."
Traurig und melancholisch ist das. Für diese Gefühle gibt es heute in Berlin eigentlich kaum Platz. Dafür geht es zu hoch her, wenn es um Griechenlands Schulden geht. Die Hoffnungen derer, die traurig sind über Griechenlands Lage, ruhen jedoch heute Abend in Berlin auf Yanis Varoufakis:
"What we need is an agreement, quickly!”
Man brauche eine Einigung mit den Geldgebern, und zwar schnell, wird er später in seinem Vortrag sagen.
Der griechische Finanzminister, Yanis Varoufakis und die Politologin Gesine Schwan unterhalten sich am 08.06.2015 bei einer Veranstaltung der Hans-Böckler-Stiftung zum Thema "Zukunft Griechenlands in der EU" im Französischen Dom in Berlin.
Begehrter Gesprächspartner in Berlin: Yanis Varoufakis und die Politologin Gesine Schwan im Französischen Dom in Berlin.© picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Der Französische Dom ist ausgebucht
Dieser Abend dürfte für Varoufakis angenehmer werden als das Treffen mit Wolfgang Schäuble. Die Kirche ist randvoll mit Publikum, das dem griechischen Finanzminister gewogen ist. Die Hans-Böckler-Stiftung hat eingeladen. Auf dem Podium sitzen Leute, die es gut meinen mit Varoufakis. Reiner Hoffmann zum Beispiel, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Der Vortrag des griechischen Finanzministers wird über eine Stunde dauern.
Varoufakis: "Wir sind bereit, unseren Teil beizutragen. Wir wollen unsere Hausaufgaben machen, uns an Regeln halten. Wir wollen diese Regeln zusammen mit den Europäern aufstellen. Aber um diese Regeln umzusetzen, brauchen wir eine Sache, die uns bisher nicht gegeben wird: Hoffnung."
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann und der griechische Finanzminister, Yanis Varoufakis unterhalten sich am 08.06.2015 zum Thema "Zukunft Griechenlands in der EU" bei einer Veranstaltung der Hans-Böckler-Stiftung im Französischen Dom in Berlin.
Nicht nur bei den Frauen beliebt: Reiner Hoffmann, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, erklärt Yanis Varoufakis die Lage.© picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Ein bisschen Che Guevara
Im Publikum sitzen Menschen, die solche Sätze mögen. Manche von ihnen tragen T-Shirts, mit dem Konterfei von Varoufakis drauf, ein bisschen so, wie bei Che Guevara. Der Mann kann reden und daran haben selbst Varoufakis schärfste Kritiker keinen Zweifel. Und doch – oder vielleicht gerade deshalb - polarisiert er seit Anfang des Jahres wie kaum ein anderer Politiker.
Montagmittag, vor dem Reichstag. Wen auch immer der Reporter heute anspricht und nach Varoufakis fragt: Sie kennen ihn alle. Das wäre bei vielen Ministern der Bundesregierung anders. Yanis Varoufakis hat es geschafft, in nur sechs Monaten zu einem der bekanntesten Politiker Europas zu werden. Die Art und Weise wie er das geschafft hat, gefällt jedoch nicht allen.
"Gebildet aber auch sehr eingebildet."
"Sehr selbstsicher, ich weiß nur nicht, ob das mehr Schein als Sein ist."
"Konfus und planlos. Und dreist."
Im Februar widmeten Jan Böhmermann und sein Team dem Finanzminister einen Song. Wir können ihm nicht widerstehen, singen sie da, er ist großartig. Das ist Satire, das ist Ironie, das ist aber auch ein Stück Wahrheit: Varoufakis sieht gut aus, er spricht hervorragend Englisch, wirkt charmant. Er ist ein Gegenentwurf zu seinen Vorgängern in Griechenland. Er ist auch ein Gegenentwurf zu vielen deutschen Politikern.
Varoufakis und das Youtube-Video
"And stick the finger to Germany and say: Well, you can now solve this problem by yourself!"
März 2015. In Günter Jauchs Talkshow wird ein altes Youtube-Video gezeigt. Varoufakis streckt dort den Finger aus. Er wird später behaupten, dass es sich um eine Fälschung handelt. Gesichert ist: Die Redaktion von Jauch hat das Bild gehörig aus dem Zusammenhang gerissen.
Dennoch wird Kritik an Varoufakis nach der Sendung salonfähig. Der Minister referiere bei wichtigen Treffen mit seinen EU-Kollegen länglich im Stile eines Universitätsprofessors, schreiben manche Zeitungen. Er betreibe eine Hinhaltetaktik, bleibe mit seinen Vorschlägen an die EU-Kommission viel zu wage.
Martin Schulz: "Die gehen mir, seien Sie mir nicht böse, wenn ich das so sage, bisweilen gewaltig auf die Nerven."
Martin Schulz, EU-Parlamentspräsident vor fünf Tagen im ZDF. Er meint auch: Varoufakis – fügt jedoch hinzu: Die griechische Regierung hatte bisher nur wenig Zeit.
In Berlin und Brüssel fragen sich die Journalisten jetzt, ob Varoufakis bei den aktuellen Verhandlungen überhaupt noch eine Rolle spielt. Es geht um 7,2 Milliarden Euro, die letzte Tranche aus dem Rettungspaket für Griechenland.
In einem italienischen Restaurant am Gendarmenmarkt sind die Spekulationen über Varoufakis Stellenwert ganz weit weg. Die Podiumsdiskussion ist gerade zu Ende gegangen, Varoufakis hat von seinen Anhängern viel Applaus bekommen, weil er Dinge gesagt hat, die den Geldgebern Griechenlands, um es mit Martin Schulz zu sagen, gewaltig auf die Nerven gehen. Wir haben noch zwei Fragen an den griechischen Finanzminister. Was antwortet er denen, die ihn für eitel und arrogant halten?
"An dieser Kreuzung von historischer Bedeutung für Europa wäre es eitel und arrogant über mich selbst zu sprechen", sagt der Minister.
Nächste Frage: Menschen laufen mit Ihrem Konterfei herum, Sie haben Fans, sind bekannt. Woher kommt das?
"Ich habe keine Ahnung", sagt er. "Das ist ein Rätsel. Es ist nicht angenehm. Und es hilft auch nicht bei der Arbeit. Aber das ist jetzt egal. Es kommt jetzt auf Ideen an, die uns voranbringen."
Es gibt Menschen in Berlin und Brüssel, die bringen solche Sätze auf die Palme. Es gibt aber auch Menschen, die Varoufakis dafür verehren. Weil Pathos in schwierigen Zeiten auch mal ganz gut tut.
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