Yamabushi-Mönche in Japan

Mit Meditieren Angst und Schmerzen überwinden

06:46 Minuten
Yamabushi Mönche mit Holzstücken in den Händen, während einer Feuerzeremonie, die das Kommen des Frühlings im Yakuoin-Tempel auf dem Berg ankündigt, Mai 2019.
Yamabushi-Mönche während einer Feuerzeremonie, die das Kommen des Frühlings ankündigt. © imago images / AFLO
Von Peter Kaiser · 05.01.2020
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Weißgekleidete Menschen laufen barfuß durch Flüsse, meditieren unter einem kalten Wasserfall stehend und verbringen die Nächte auf Berggipfeln. Kein Wunder, dass den japanischen Yamabushi-Mönchen früher magische Kräfte zugeschrieben wurden.
"Jetzt starte ich die Trainingseinheit. Nach dieser Einführung hier werden wir die Kleider wechseln. Das bedeutet, dass wir die Initation beginnen. Ein anderer Teil des Trainings ist: ich werde meine Haltung wechseln. Jetzt bin ich freundlich, aber während des Trainings werde ich das nicht mehr sein. Bitte versteht mich nicht falsch, ich nehme den Kommandoton nur deshalb an, damit ihr euch voll konzentrieren könnt. Und was noch wichtig ist: die Philosophie des Yamabushi ist 'Ugetamo.' Das heißt übersetzt: ich akzeptiere. Akzeptierst du das?"
"Ugetamo."
"Wir starten jetzt die Meditations-Session."
"Otashi. Ogetamo."
Die japanische Präfektur Yamagata. Im Oktober ist es noch mäßig warm hier, in den Wäldern am Berg Mount Haguro hängt Nebel zwischen den Bäumen. Der Weg ist mit Baumwurzeln und Steinen übersät und beschwerlich.

"Dieses Weiß bedeutet, dass man heilig ist"

Langsam folgt die Pilgergruppe dem kräftig ausschreitenden Yamabushi-Mönch. Die Pilger sind in Weiß gekleidet, vom Kopf bis zu den Fußknöcheln. Yamabushi-Meister Swasa erklärt, warum.
"Dieses Weiß bedeutet, dass man heilig ist. Und zugleich ist es unsere Totenkleidung. Als Yamabushi stirbt man den Tod der vorherigen Existenz, daher muss man diese Kleidung anziehen."
Das Wort Yamabushi bedeutet: "Die sich in den Bergen niederlegen". Yamabushi sind Anhänger des Shugendo, einer etwa 1400 Jahre alten Naturreligion, die Bereiche des Shintoismus mit Lehren und Praktiken des Buddhismus verbindet. Shugendo enthält aber auch schamanistische Elemente. So gehen die Mönche barfuß durch die Bergwälder, meditieren stundenlang unter einem kalten Wasserfall oder schlafen auf Berggipfeln.
Takeharu Kato, mit Yamabushi-Namen Jotetsu, führt heute die Gruppe zum Wasserfall. Er ist kräftig, groß und mittleren Alters. Von seinem Rücken hängt ein Glöckchen herab, dessen Geläut Bären abschrecken soll. Vor seinem Bauch baumelt das große Muschelhorn, das einen dumpfen, klagenden Ton von sich gibt. Die Pilger tragen über ihren weißen Gewändern ein geflochtenes Gebilde aus weißem starkem Garn, eine Art Amulett, das symbolisiert…
"… dass Sie äußerlich auch sauber sind".

Ein Leben ohne jeden Komfort

In den Wäldern der drei heiligen Berge des Dewa, einem Gebiet nahe der Stadt Tsuruoka, wird das "Aki no Mine" absolviert, das Yamabushi-Training "Höhepunkt des Herbstes". Dazu zählt auch die Wasserfall-Meditation.
Man hält es nur wenige Minuten im eiskalten Wasser aus. Selbst das Rufen hilft nicht. Die meisten Yamabushi-Riten sollen helfen, Angst, Schmerzen und physische Erschöpfung zu überwinden.
Der japanische buddhistische Mönch, gennant Yamabushi, geht in die Berge, um dort ein heiliges Feuerritual durchzuführen, Fujinomiya 2013.
Zu den Ritualen der Yamabushi gehört es, jeden Komfort auf ein Mindestmaß zu reduzieren.© imago images / AFLO
Während des Trainings, wie die Riten auch modern genannt werden, wird jeglicher Komfort auf ein Minimum reduziert: So schlafen die Pilger auf nacktem Boden, sie müssen schweigen, dürfen sich nicht waschen, nicht die Zähne putzen oder sich wärmen. Einst, im 17. Jahrhundert gab es Yamabushi überall in Nordjapan. Die Mönche galten als übernatürlich und mit magischen Kräften ausgestattet. Sie berieten darum oft Samurai vor deren Feldzügen. Heute haben die Yamabushi Nachwuchssorgen. Daher werden seit einiger Zeit auch Frauen zugelassen. Die Nonne Lei-Ho sagt:
"Mein Hobby war Trekking. Schon vor 10 Jahren habe ich damit angefangen. Ich bin im Himalaya herumgelaufen, und irgendwann erkannte ich, auf einen Berggipfel zu gehen, ist nicht alles.Und es hat mich auch immer mehr gestört, dass die Leute, mit denen ich ging, andauernd reden mussten, während sie gingen. Dann starben einige meiner Freunde in den Bergen, alpines Klettern ist immer gefährlich, und dann habe ich Meister Hoshino getroffen. Und er sagte, Berge sind nicht zum Sterben da, sondern zum Gebet. Da habe ich mit dem Training hier angefangen."

Barfuß über glühende Asche

Die alten Mantren zu singen, ist ebenfalls Teil des Lebens als Yamabushi-Mönch. Shugendo, erklärt Meister Hoshino, ist, was man denkt, wenn man in der Natur ist. Kaum 100 Yamabushi gibt es im Moment noch, die genaue Zahl ist kaum zu ermitteln, da fast alle neben ihrer Yamabushi-Identität ein normales Leben mit Arbeit und einer Familie führen.
Dann kommt der barfüßige Gang über glühende Asche oder der Sprung über den brennenden Holzhaufen. Danach wird das Trainingsende offiziell verkündet.
"Wir haben das Training nunmehr mit dem Ritual von Goma beendet."
"Ogetamo!"
Die Trainingstage haben jeden in der Pilgergruppe an die Grenze seiner physischen und psychischen Belastbarkeit gebracht. Doch trotz der Erschöpfung sind alle tief beindruckt von den Wanderungen in den Bergen, den Riten, meist im Klang des Muschelhorns.
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