Wroclaw Barockorchester in Stary Sącz

Scarlattis Heiliger Kasimir

Das Wrocławska Orkiestra Barokowa unter Leitung von Jarosław Thiel beim 40. Alte-Musik-Festival Stary Sącz in der Elisabethkirche
Das Wrocławska Orkiestra Barokowa unter Leitung von Jarosław Thiel beim 40. Alte-Musik-Festival Stary Sącz in der Elisabethkirche © Andrzej Rams/Alte-Musik-Festival Stary Sącz
Moderation: Volker Michael · 25.07.2018
Es ist ein Barockoratorium par excellence - Alessandro Scarlattis "San Casimiro". Das Breslauer Barockorchester hat es jetzt beim 40. Alte-Musik-Festival im polnischen Stary Sącz meisterhaft aufgeführt.
Erst vor wenigen Jahren wurde es in Bibliotheken in Wien und Madrid wieder entdeckt - das Oratorium "Der Heilige Kasimir, König von Polen" des berühmten sizilianisch-neapolitanischen Barockkomponisten Alessandro Scarlatti. Er hat mindestens 115 Opern und viele andere Oratorien geschrieben, da kann es nicht verwundern, dass keiner die Existenz dieses Werkes vermutet hat. Doch gerade für Alte-Musik-Freunde in Polen hat es seinen besonderen Reiz, denn es handelt von einer polnischen Heiligenfigur und wurde wahrscheinlich für die polnische Königsfamilie verfasst, die um 1700 im Exil in Rom lebte.

Kürzlich wiederentdecktes Oratorium

In seinem 40. Jahr und im 100. Jahr der Wiedererlangung der Polnischen Staatlichkeit haben die Organisatoren des Alte-Musik-Festivals Stary Sącz dieses Oratorium Scarlattis aufs Programm gesetzt. Ein erlesenes Solistensextett und das Breslauer Barockorchester boten die allegorische musikalische Handlung in der Elisabethkirche der Stadt in der Wojwodschaft Kleinpolen dar. Mit dieser Aufführung endete das Festival, das zu den renommiertesten Polens gehört und dieses Jahr auch die Ensembles Weser-Renaissance Bremen, Hildebrandt 1719, Harmonia Sacra, Le Salon de la Paix und namhafte Solisten beherbergte.

Keuschheit und Demut

Prinz Kasimir von Polen, Spross der berühmten Jagiellonen-Familie, wurde 1521 heiliggesprochen, 37 Jahre nach seinem frühen Tod im Alter von nur 25 Jahren. Im Titel des Oratoriums wird er als König bezeichnet, doch die Herrscherwürde hat er nie erlangt, konnte er also umso mehr seine positiven Eigenschaften als barmherziger und wohltätiger Mensch pflegen. Im riesigen polnisch-litauischen Doppelreich vertrat er seinen Vater jeweils dort, wo dieser gerade nicht zu sein vermochte. Das Herrschaftsgebiet reichte ja in den besten Zeiten der Dynastie vom Baltischen bis zum Schwarzen Meer und zur Adria. Die Nachfolge seines Vaters konnte Kasimir wohl auch deshalb nicht antreten, weil er ein Keuschheitsgelübde abgelegt hatte und deshalb für dessen interdynastische Heiratspolitik nicht in Frage kam.

Empfänglich für sinnliche Reize

Genau um diese zwei Tugenden und Laster kreist nun auch das Oratorium Alessandro Scarlattis - die Rollen in diesem opernhaften Musikwerk mit Arien, Rezitativen und kurzen instrumentalen Passagen heißen Castità (Keuschheit), Umilità (Demut), Amor Profano (Weltliche Liebe) und Regio Fasto (Herrschaftlicher Pomp) - mittendrin singt der Heilige Kasimir selbst ergreifende Arien, allerdings taucht er erst im zweiten Teil auf. Natürlich - möchte man sagen - triumphieren am Ende die Tugenden, doch zeigte sich der Heilige im Verlauf des Stücks durchaus empfänglich für die sinnlichen Reize von Liebe und Pomp.
Festival der Alten Musik
Stary Sącz, Elisabethkirche
Aufzeichnung vom 15. Juli 2018
Alessandro Scarlatti
"San Casimiro, re di Polonia", Oratorium in zwei Teilen
Mehr zum Thema