Writers in prison

Von Markus Rimmele · 14.11.2005
Im ersten Halbjahr 2005 wurden weltweit 28 Schriftsteller und Journalisten ermordet und 33 mit dem Tode bedroht. Der writers-in-prison-day, der am Dienstag zum 25. Mal begangen wird, will an inhaftierte Journalisten und Schriftsteller erinnern.
Die drei maskierten Männer warteten in der Wohnung. Als ihr Opfer nach Hause kam, erfüllten sie ihren Auftrag. Die bezahlten Killer erschossen den Journalisten Franck Kangundu und seine Frau vor den Augen der fünf Kinder. Ein Mord, geschehen vor 11 Tagen in Kinshasa, der jüngste Fall der Gewalt gegen Journalisten und Schriftsteller in der Demokratischen Republik Kongo. Wer sich frei und kritisch äußert in dem afrikanischen Land, riskiert seine Freiheit, seine Unversehrtheit, sein Leben, berichtet Donat M’Baya Thsimanga:

"Im Mai haben sie versucht, einen anderen Journalisten zu töten. Im Juli haben sie einen Dolmetscher getötet, der für Agence France Presse arbeitete. Doch die Methoden der Unterdrückung sind variabel. Manchmal gehen sie den offiziellen Weg und nutzen die korrupte Justiz dazu, Journalisten ins Gefängnis zu stecken. Manchmal muss es schneller gehen. Dann lassen sie die Leute einfach eliminieren."

Sie, das sind die Mächtigen aus dem korrupten Staats- und Militärapparat. Wer auch nur ein kleines Stück Macht innehat, kann damit für seine persönlichen Interessen kämpfen – nicht zuletzt mit Hilfe privater Milizen und bezahlter Killer. Unbequeme Journalisten und Schriftsteller sind häufig ihre Opfer. M’Baya Thsimanga kämpft gegen diese Zustände in seinem Land. Er ist der Präsident der Organisation "journaliste en danger", die sich für die freie Meinungsäußerung in der Demokratischen Republik Kongo einsetzt. Für ihren Mut hat die Organisation die diesjährige Hermann-Kesten-Medaille des PEN-Zentrums Deutschland erhalten.

Der Kongo – ein Beispiel von vielen. Der jährliche Writers-in-Prison-Bericht des PEN fasst zusammen, wie häufig und wo überall Menschen von Gefängnis, Folter und Mord bedroht sind, nur weil sie unliebsame Dinge sagen und schreiben. Im ersten Halbjahr 2005 setzte sich die internationale Schriftstellervereinigung weltweit für 700 drangsalierte Kollegen in fast 100 Ländern der Erde ein. Im selben Zeitraum wurden 28 Schriftsteller und Journalisten ermordet, 33 mit dem Tode bedroht. 200 verbüßen derzeit Gefängnisstrafen, 12 bleiben verschwunden. Und wir haben überhaupt keinen Grund zum Optimismus, sagt der Generalsekretär des Deutschen PEN-Zentrums Wilfried Schöller:

"Es ist eben so, dass Leute, die sich um die freie Meinungsäußerung, um die ungehinderte Information bemühen, in immer mehr Ländern in immer größere Schwierigkeiten geraten. Auch die Zahl der ermordeten Kollegen nimmt überhaupt nicht ab. Es gibt Wellenbewegungen, und es gibt zum Beispiel, was Folter betrifft, unterschiedliche Entwicklungen. Man könnte sagen, dass vielleicht seit Jahren der Versuch da ist, mehr psychischen Druck auszuüben und weniger körperlichen Druck. Da sieht man, dass – sagen wir mal – bestimmte Techniken anders geworden sind. Das heißt nicht, dass die Sachen einfacher sind, und das heißt nicht, dass sie harmloser wären."

Besonders schlimm ist die Situation auf dem afrikanischen Kontinent. Neben der Demokratischen Republik Kongo erwähnt der Bericht die Länder Nigeria und Sierra Leone. In Amerika bereitet nach wie vor die Situation auf Kuba große Sorgen, einem der Länder mit der höchsten Anzahl inhaftierter Schriftsteller und Journalisten. 75 Oppositionelle wurden im Jahr 2003 Opfer einer Verhaftungswelle, darunter auch der Autor Victor Rolando Arroyo, verurteilt zu 26 Jahren Gefängnis. In China sind mehr als 30 Dissidenten wegen Veröffentlichungen im Internet inhaftiert. Der Lyriker und Journalist Shi Tao verschwand im April für 10 Jahre im Gefängnis, weil er die Presseanweisungen des Propagandaministeriums zum Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens in einer E-Mail weiter gegeben hatte. Auch die Türkei findet sich in dem Bericht wieder. Peter Ripken von der Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika.

"Die Situation in der Türkei – so hört man immer wieder – verbessert sich. Auf der anderen Seite gibt es immer noch ganz bedenkliche Tendenzen in Bezug auf die Kurdenfrage. Es gibt immer noch bedenkliche Tendenzen in Bezug auf die Frage von Veröffentlichungen. Wir haben jetzt den kritischen Fall mit Orhan Pamuk, der eine türkische Lebenslüge, wenn man so will, eine nationale Lebenslüge angesprochen hat, nämlich den Massenmord an den Armeniern. Die alleinige Tatsache, dass es so ein Verfahren geben kann, zeigt, dass die Freiheit der Meinungsäußerung in der Türkei noch nicht gewährleistet ist."

Orhan Pamuk wird anlässlich des Writers-in-Prison-Tags an einer Lesung in Wien teilnehmen. Auch in Berlin und anderen Städten sind Lesungen von Autoren geplant – in Solidarität mit den verfolgten und bedrängten Kollegen. Ein symbolische, aber dennoch wichtige Geste, glauben die Initiatoren. Nur über die Weltöffentlichkeit kann den Verfolgten geholfen werden. Der PEN-Club macht die Fälle bekannt. In konzertierten so genannten "rapid actions", also Blitzaktionen, schreiben alle nationalen PEN-Zentren gleichzeitig Protestbriefe an die unterdrückenden Regierungen, sobald ein neuer Fall etwa einer Verhaftung bekannt wird. Die internationale Empörung und Aufmerksamkeit kann die Verfolgten schützen. Daneben sucht die Organisation auch diplomatische Hilfskanäle.

Kritik üben die Schriftsteller aber nicht nur an den üblichen Verdächtigen. Der so genannte Kampf gegen den Terror gefährde auch in den westlichen Demokratien immer häufiger die Freiheit des Wortes, so der Präsident des PEN-Zentrums Deutschland. Schriftsteller, Verleger und Journalisten würden drangsaliert, gefangen gehalten oder an der Publikation ihrer Ansichten gehindert. Egal ob in dieser sehr milden Form oder der extremen wie in der Demokratischen Republik Kongo. Es bedarf mutiger Leute, die sich dem staatlichen Zugriff entgegenstellen. So wie Donat M’Baya Thsimanga, der in wenigen Tagen zurück in Kinshasa sein wird und dort für die Pressefreiheit kämpft – unter Lebensgefahr.

"Wir sind tatsächlich in Gefahr. Aber das spielt nicht so eine große Rolle. Es geht um unser Land. Bevor uns andere helfen, müssen wir selbst aufstehen, um die Verhältnisse zu ändern. Wir machen weiter. Natürlich ist uns die Gefahr bewusst, wir sind vorsichtig. Wenn es eines Tages zu gefährlich wird, dann werden wir uns auch verstecken. Wir haben das Land auch schon zwei bis drei Mal wegen Morddrohungen für eine Weile verlassen. Aber wir sind immer wieder zurückgekehrt, um mit unserer Arbeit weiterzumachen."
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