Woran arbeiten Sie gerade, Herr Allen?

Durchbruch auf Einsteins Spuren

Simulation der Kollision von zwei Schwarzen Löchern, wie sie vom Gravitationswellen-Detekto LIGO aufgezeichnet worden ist.
Simulation der Kollision von zwei Schwarzen Löchern, wie sie vom Gravitationswellen-Detektor LIGO aufgezeichnet worden ist. © SXS
Bruce Allen im Gespräch mit Ute Welty  · 31.12.2016
Wissenschaftler sprechen angesichts neuer Entdeckungen in der Gravitationsforschung von einem neuen Zeitalter der Gravitationswellen-Astronomie. Beteiligt an dem wissenschaftlichen Durchbruch ist der amerikanische Forscher Bruce Allen, der darüber ins Schwärmen gerät.
In Einsteins Relativitätstheorie sei eine letzte Aussage bisher nicht bestätigt gewesen, sagte der US-Gravitationsforscher, Bruce Allen, im Deutschlandradio Kultur. "So viele Leute haben lange Zeit versucht, Gravitationswellen direkt zu messen und zu beobachten." Das tun zu können, sei ein Durchbruch, sagte der Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover.

Messen mit Spiegeln und Lasern

Gemessen werde mit Hilfe von Spiegeln, die an dünnen Drähten vier Kilometer voneinander entfernt in einem Vakuum-System hängen. Auf diese Weise seien sie gegen Bewegungen, beispielsweise durch Luft, gesichert. "Die Gravitationswellen provozieren eine sehr kleine Bewegung in diesen Spiegeln und wir können diese Bewegung mit Lasern messen", so Allen.

Hannoveraner Forscher beteiligt

Am 26. Dezember 2015 haben die LIGO-Detektoren (Gravitationswellendetektoren) eine zweite Gravitationswelle gemessen. Das beobachte Signal stammt von einem Paar verschmelzender schwarzer Löcher, die mit rund 14 und acht Sonnenmassen kleiner als die am 14. September 2015 entdeckten sind.
Forschende des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Potsdam und Hannover und der Leibniz Universität Hannover hatten entscheidend zur Entdeckung beigetragen: mit der Entwicklung hochgenauer Wellenmodelle, mit Suchmethoden für schwache Signale, bei der Beurteilung der statistischen Signifikanz, beim Ermitteln der astrophysikalischen Eigenschaften und mit fortschrittlicher Detektortechnologie. Diese zweite Entdeckung beweist aus der Sicht vieler Wissenschaftler, dass ein neues Zeitalter der Gravitationswellen-Astronomie begonnen hat.

Das Interview im Wortlaut:

(Da der Gesprächspartnerin Bruce Allen kein deutscher Muttersprachler ist, wurde die Textfassung redaktionell bearbeitet)
Ute Welty: Wenn wir jetzt gleich von schwarzen Löchern oder weißen Zwergen sprechen, dann driften wir nicht ab in irgendeine Fantasywelt, sondern wir beschäftigen uns mit Gravitationswellen, wobei: die Suche danach gleicht schon einer Odyssee. 50 Jahre lang haben Forscher das versucht, einen Beweis für eben die Gravitationswellen zu finden, die ein gewisser Albert Einstein vor 100 Jahren vorhergesagt hat, und einer, der offenbar immer an Einstein geglaubt hat, der gesucht hat und gefunden hat, das ist der Gravitationsforscher Bruce Allen, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover. Guten Morgen!
Bruce Allen: Guten Morgen!
Welty: Warum war der Nachweis von Gravitationswellen so wichtig, warum wird dieser Nachweis als der Durchbruch des Jahres bezeichnet?
Allen: Eigentlich, ist das die letzte Vorhersage von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, die bisher nicht bestätigt wurde. So viele Leute haben lange Zeit versucht, Gravitationswellen direkt zu messen und zu beobachten. Ja, das ist ein Durchbruch.

Kleine Bewegung in den Spiegeln

Welty: Wie messen Sie das denn?
Allen: Wir haben Spiegel, die hängen an sehr dünnen Drähten, vier Kilometer voneinander entfernt, in einem Vakuumsystem. Sie sind gegen Bewegungen, zum Beispiel von Luft, von der Atmosphäre gesichert, und die Gravitationswellen provozieren eine sehr kleine Bewegung in diesen Spiegeln, und wir können diese Bewegung mit Lasern messen.
Welty: Sie haben das entdeckte Signal mal als schön beschrieben sogar, als zu schön, um echt zu sein, als Bilderbuchsignal. Was genau versteht ein Gravitationsforscher unter schön?
Allen: Ja, was haben wir gesehen: Wir haben in der Wellenform für diese Signale circa zehn Zyklen gesehen. Das ist die rhythmische Bewegung von zwei schwarzen Löchern. Man kann in diesem Signal mit nackten Augen sehen, genau was passiert ist. Das bedeutet, dass die zwei Objekte, schwarze Löcher, kreisen umeinander, viermal, und dann schmelzen sie zusammen. Man kann das in unseren Daten mit den Augen sehen.
Das ist schon etwas Bedeutendes, weil manche Entdeckungen, zum Beispiel sehr bekannte Entdeckungen für einen Teil der vier Jahre war die sogenannte Higgs-Boson. Die Higgs-Bison nicht zu sehen, nicht für einen normalen Menschen. Man muss diese Daten sehr genau analysieren, und dann kann man die Spuren von diesem Higgs-Boson sehen. Aber mit unseren Daten ist es unterschiedlich. Mit unseren Daten kann man die letzte Sekunde oder Viertelsekunde des Lebens von diesen zwei schwarzen Löchern sehen.

Schwarze Löcher oder weiße Zwerge

Welty: Wenn Sie die schwarzen Löcher unterscheiden können oder genau sagen können, dass es sich um schwarze Löcher gehandelt hat, lässt sich dann auch genau beschreiben und sagen, ob es sich dann um weiße Zwerge handelt?
Allen: Nein, das kann nicht. Was wir sehen in den Daten, sind circa zehn Zyklen von einem Signal. Die Frequenz ändert sich über diese zehn Zyklen, und mit dieser Frequenzänderung können wir sehr einfach sehen, wie groß die Massen sind, und die zwei Objekte, jede ist circa 35 mal so schwer wie unsere Sonne. Wir können in diesen Daten auch den Abstand zwischen jedem Zyklus sehen und wie weit entfernt sie voneinander waren. Bei der letzten Umdrehung oder Umkreisung waren sie circa 350 Kilometer von der Erde entfernt. Normale Sterne sind, zum Beispiel unsere Sonne hat einen Durchmesser von 600.000 Kilometer Durchmesser und auch kleine Sterne, zum Beispiel weiße Zwerge, haben einen Durchmesser von 10.000 Kilometer.
Welty: Das ist ja quasi winzig.
Allen: Ja, winzig, ja! Und nur schwarze Löcher sind klein genug, um mit einem Abstand von 400 Kilometern umeinander zu kreisen. Alle anderen Objekte, die wir kennen, sind zu groß.

Die Instrumente sind jetzt empfindlicher

Welty: Sie haben jetzt damit begonnen, eine weitere Phase der Beobachtung einzuleiten. Was unterscheidet diese Phase von der vorherigen?
Allen: Die Instrumente sind empfindlicher geworden. Diese Instrumente sind einzigartig. Es gibt keine anderen Instrumente weltweit wie diese. Das bedeutet, dass man es schaltet nicht etwa einfach einschalten kann und es funktioniert dann einwandfrei. Man muss diese Instrumente über die Zeit verbessern.
Unsere erste Beobachtungsphase, das war von September 2015 bis Januar 2016, und in dieser ersten Phase, waren die Instrumente in der ersten Entwicklungsphase. Jetzt sind wir ein bisschen weitergegangen. Die Instrumente sind jetzt empfindlicher. Das bedeutet, dass man weiter ins All sehen kann. Man kann mehr Objekte sehen. Im Prinzip können wir jetzt weiter ins All sehen.
Welty: Für Nichtphysiker ist es manchmal nicht ganz einfach, dem Gravitationsphysiker hinter den Horizont zu folgen. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie Grenzen überschreiten?
Allen: Das ist eine gute Frage. Ich bin jetzt seit fast 40 Jahren Wissenschaftler und im Alltag sieht man keinen große Wachstum oder Entwicklung. Nur mit der Zeit sieht man das. Aber diese erste Entdeckung am 14. September 2015, das war ein Meilenstein für uns, und es ist echt. Ich habe dieses Signal gesehen, circa eine Stunde nach dieser ersten Beobachtung. Ich war in einer Sitzung und habe es deshalb selbst verpasst. Aber ein Student und ein Postdoc haben es gesehen, und ich habe es nicht geglaubt. Ich dachte, das ist zu klar, zu stark. Ja, aber es ist wahr.
Welty: Bruce Allen arbeitet an der Erforschung von Gravitationswellen. Dabei viel Erfolg und viele so schöne Signale in 2017, wie Sie da 2015 gesehen haben!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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