Wolfgang Nešković über Folter

"Im Rechtsstaat heiligt der Zweck nicht die Mittel"

Symbolbild Waterboarding: Als "Waterboarding" wird ein simuliertes Ertränken bezeichnet.
Symbolbild Waterboarding: Als "Waterboarding" wird ein simuliertes Ertränken bezeichnet. © Imago/ Rüdiger Wolk
Wolfgang Nešković im Gespräch mit Julius Stucke · 26.01.2017
US-Präsident Donald Trump ist überzeugt: Folter funktioniert. Der parteilose Politiker Wolfgang Nešković erklärt, warum der CIA-Folterbericht zu einem anderen Ergebnis kommt.
"Folter funktioniert", davon zeigt sich US-Präsident Donald Trump jüngst in einem Interview überzeugt: Sollten seine Berater Foltermethoden wie Waterboarding wiedereinführen wollen, stünde er ihnen nicht im Weg.
Der parteilose Politiker Wolfgang Nešković hat die deutsche Ausgabe des CIA-Folterberichts herausgegeben. Aus ihr zitiert Nešković im Gespräch mit uns: "Die Anwendung verschärfter Verhörmethoden durch die CIA war kein wirksames Mittel um geheimdienstliche Informationen zu gewinnen oder die Inhaftierten zur Kooperation zu bewegen."
Nešković selbst ist überzeugt: "Im Rechtsstaat heiligt der Zweck nicht die Mittel, das gilt nur im Reich des Terrors."

Das Interview im Wortlaut:
Julius Stucke: Ein Mann macht ganz überraschend mal wieder von sich reden.
Donald Trump: "What I feel strongly about waterboarding: As far as I’m concerned we have to fight fire with fire now. But I have spoken with people at the highest level of intelligence and I asked them the question: Does is work? Does torture work? And the answer was: Yes, absolutely."
Stucke: Donald Trump, er sagt, er hat mit Experten gesprochen und die sagen, Folter funktioniert, Waterboarding funktioniert, it works. Will er es wieder einführen nun, Folter und die verbotene Praxis des Waterboarding, des simulierten Ertrinkens? Das überlässt er seinen Beratern, hat er gesagt. Die sind derzeit dagegen, aber er sagt auch: Wenn die es wollen, dann steht er ihnen nicht im Weg. Und er hat auch weiter gesagt: Er ist auch der Meinung, das funktioniert.
Nicole Dittmer: Ja, und solche Aussagen machen natürlich schnell die Runde und man fragt sich da schon zuerst: Wollen wir uns schon wieder mit den Äußerungen von Donald Trump befassen? Müssen wir das überhaupt?
Stucke: Natürlich will man jetzt nicht über jeden Stock springen, den er hinhält, aber wenn der Präsident der USA so etwas sagt, dann kann man auch nicht einfach sagen: Ach komm, das ist eine seiner Spinnereien!
Dittmer: Wir wollen deshalb nachfragen: Ist es absolut klar, wie Trump es dahinstellt? Funktioniert Folter? Und selbst wenn, will man sie damit rechtfertigen? Wir sprechen mit Wolfgang Neskovic, parteiloser Politiker, er war Richter am Bundesgerichtshof und saß lange in der Kontrollinstanz für Geheimdienste, dem parlamentarischen Kontrollgremium, und im BND-Untersuchungsausschuss. Einen schönen guten Tag!
Wolfgang Neskovic: Ja, schönen guten Tag!
Dittmer: Sie haben die deutsche Ausgabe des CIA-Folterberichts herausgegeben, sich also intensiv mit den Erfahrungen in den USA beschäftigt. Kann man da zu dem Schluss kommen, Folter funktioniert?
Neskovic: Ja, gerade vor dem Hintergrund dieses Berichtes, zu dem man kurz sagen muss, dort hat man über sechs Millionen Dokumente in einem langen Auswertungsprozess, der über Jahre ging, insgesamt hat das von 2009 bis 2014 gedauert, ausgewertet und ist dort ganz eindeutig zu der Erkenntnis gelangt, ich kann das einfach mal ganz kurz zitieren, zwei Schlussfolgerungen: Erstens, die Anwendung verschärfter Verhörmethoden – so haben sie das genannt in den Vereinigten Staaten – durch die CIA war kein wirksames Mittel, um geheimdienstliche Informationen zu gewinnen oder die Inhaftierten zur Kooperation zu bewegen, und zweitens, die Rechtfertigung der CIA für die Anwendung der verschärften Verhörmethoden stützte sich auch auf unzutreffende Behauptungen über ihre Wirksamkeit.
Also, dort hat man ganz klar bewegt und untersucht über einen langen Zeitraum mit allen Dokumenten, die zur Verfügung standen, und ist zu dem Ergebnis gekommen: Das bringt nichts. Das entspricht auch der Meinung der CIA vor dem 11. September, auch dort – das wird auch in diesem Bericht erwähnt und klargestellt – hat die CIA sich auf den Standpunkt gestellt, und zwar vor 2001, dass solche Methoden – ich zitiere wörtlich – keine geheimdienstlichen Erkenntnisse liefern, wahrscheinlich zu falschen Antworten führen und sich in der Vergangenheit als ineffektiv erwiesen haben. Und deswegen hatte man nach dem 11. September auch überhaupt keine Praxis und Erfahrung mehr, weil man das aus den Ausbildungsprogrammen herausgenommen hatte, und hat aber nach dem 11. September gemeint, man müsse etwas tun, und hat dann einfach die Foltermethode wieder eingeführt oder die, wie gesagt, verschärften Verhörmethoden.
Stucke: Ja, aber warum? Wenn man trotzdem vorher schon davon ausgegangen ist, das bringt nichts, das bringt keine Erkenntnisse, warum haben die Amerikaner … oder mit welcher Legitimation haben die Amerikaner es trotzdem genutzt?
Neskovic: Ja, also, Trump hat das eben belegt, indem er gesagt hat: Wir glauben daran, dass es so ist. Elias Canetti hat einmal gesagt: Die Kraft falscher Argumente beruht auf ihrer extremen Falschheit. Und nachdem dieser Bericht in den USA im Dezember 2014 veröffentlicht worden ist, haben dennoch 56 Prozent der Umfrageteilnehmer die Meinung vertreten, dass Folterverhöre weitere Anschläge in den USA verhindern, obwohl der Bericht also von denen, die sich damit ausdrücklich und intensiv befasst haben, zum gegenteiligen Ergebnis kommt, glauben die Leute einfach an das Falsche. Also, Canetti hat gesagt: Umso falscher, umso wirkungsmächtiger.
Dittmer: Aber ob es funktioniert, das ist die Frage, aber ethisch, will man diese Frage nach der, ja, Art Kosten-Nutzen-Rechnung denn überhaupt stellen? Muss man in modernen demokratischen Gesellschaften, in denen wir heute leben, nicht eigentlich sagen, es gibt gar keinen Grund, der so etwas rechtfertigt?
Neskovic: Ja, das Verstörende eigentlich auch an dieser Umfrage, an den Äußerungen von Trump ist, dass man eben nur diese Nützlichkeit, die überhaupt nicht feststeht, sondern das Gegenteil ist nach dem Bericht bewiesen, sondern dass man natürlich auch die rechtlichen und auch die moralischen Fragen, die sich hier stellen, überhaupt nicht beantwortet. Also, wir reden von der Herrschaft des Rechts und von einer westlichen Wertegemeinschaft, wir wissen, wir haben die UN-Antifolterkonvention von 1987, die die USA auch unterzeichnet haben, und da steht zum Beispiel ausdrücklich drin: Außergewöhnliche Umstände, gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, dürfen nicht als Rechtsgrund für Folter geltend gemacht werden. Das heißt also, das Recht hat hier eine ganz klare, eindeutige Antwort, ein absolutes Verbot. Und die USA haben sich darüber hinweggesetzt, wie sie überhaupt im Kampf gegen den Terror selbst den Terror – Folter ist nichts anderes als Terror – eingesetzt haben. Und der Rechtsstaat verlangt, und auch die Herrschaft des Rechts verlangen eben, dass eben nicht der Zweck die Mittel heiligt, das gilt nur im Reich des Terrors. Und dieser Bericht des Geheimdienstausschusses belegt im Grunde genommen, dass man hier diese Regeln verletzt hat.
Stucke: Nun sagt Trump ja in diesem Moment noch selber, er verlässt sich da auf seine Berater und wenn die sagen, wir wollen das auch nicht, dann will er es auch nicht. Aber wenn Sie diese vergangene Praxis der USA betrachten, könnte sich dann diese Stimmung im Falle zum Beispiel einer echten oder gedachten terroristischen Bedrohung dann doch auch schnell wieder ändern?
Neskovic: Ja, sicherlich. Also, ich habe das ja eben gesagt, dass also schon 56 Prozent der Umfrageteilnehmer in den USA trotz dieses veröffentlichten Berichtes, der also in den USA damals eine weiter Verbreitung gefunden hat, einfach daran glauben. Und ich bin der festen Überzeugung, dass wir, wenn wir ähnliche Verhältnisse hier bekämen, wenn wir einen 11. September auch hier hätten, in der Bevölkerung also eine ähnliche Auffassung sich einstellen würde. Also, das ist eben das postfaktische Zeitalter, das schon 2001 zur Grundlage der Bush-Administration gemacht worden ist. Und ein Mann wie Trump ist ja in der Hinsicht ein Meister und man muss auch hier befürchten, dass die AfD und andere in gleicher Weise einfach die Fakten ins Gegenteil verkehren.
Stucke: Wenn Sie schon bei "hier" sind: Sind wir da eigentlich quasi gezwungenermaßen Zuschauer und können uns nur anschauen, was da auf der anderen Seite des Atlantiks passiert? Oder gäbe es da auch Möglichkeiten, von hier aus zu sagen, das ist völkerrechtswidrig, also können wir dagegen auch was tun?
Neskovic: Ja, wir können sehr viel tun. Also, es gibt das Völkerstrafgesetzbuch seit 2002 und danach ist eben Folter in solchen bewaffneten Konflikten eine Straftat. Und die kann auch von deutschen Strafverfolgungsorganen, hier vom Generalbundesanwalt verfolgt werden. Es ist so, dass da das sogenannte Weltrechtsprinzip gilt, also, die Täter und auch die Opfer müssen nicht Deutsche sein und die Straftat kann auch im Ausland verfolgt werden, und die Folter an Gefangenen, die zählt eben zu diesen Straftatbeständen. Und der Generalbundesanwalt muss nur tätig werden, er hat auch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Problem ist nur, dass hier der Bundesjustizminister die Verantwortung trägt, nach dem Gerichtsverfassungsgesetz trägt er die inhaltliche Verantwortung, Aufsicht und Leitung, so heißt es im Gesetz, obliegt ihm, er kann auch Einzelweisung erteilen. Herr Maas hat vorher ausdrücklich gesagt, er findet das Ganze grauenvoll, alle Beteiligten müssen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, aber er entzieht sich dieser Verantwortung, indem er wahrheitswidrig behauptet, dass die Justiz unabhängig sei. Das ist eine Schimäre, das ist also ein Truggebäude, unabhängig sind nur die Richter und Richter, aber nicht die Staatsanwälte und die Staatsanwältinnen, sondern hier hat, soweit es die Generalbundesanwaltschaft betrifft, die hier zuständig ist, der Bundesjustizminister die Oberhand und muss tätig werden. Und bisher hatte es nicht den Anschein, dass er tätig werden will.
Dittmer: Sagt Wolfgang Neskovic, parteiloser Politiker, der sich viel mit Geheimdiensten und dem Thema Folter auseinandergesetzt hat. Danke Ihnen für das Gespräch!
Neskovic: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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